Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Roten Kreuzes, die in Nickelsdorf Lebensmittel an Flüchtlinge verteilten. Spenden für diese Hilfe wollen nun Innen- und Finanzressort abziehen.

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Wien – Österreichs Hilfsorganisationen, die dem Bund in der Flüchtlingshilfe und -unterbringung zur Seite gesprungen sind, warten nicht nur auf ihnen zustehendes Geld von der Republik. Offen sind, wie das Innenministerium vorige Woche bestätigt hat, die Zahlungen für Jänner und Februar. Laut dem Chef des Roten Kreuzes, Gerry Foitik, bringt dieser Umstand manche der Organisationen "an den Rand der Zahlungsunfähigkeit".

Für noch viel mehr Aufregung sorgt allerdings ein Schreiben des Innenministeriums vom 10. Februar mit dem Betreff: "Förderungen Transitflüchtlinge; Berücksichtigung des Spendenaufkommens". Aus diesem Brief erschließt sich, dass der Bund den NGOs die Spenden, die sie für ihre Arbeit für die Flüchtlinge bekommen, von den ersetzten ("geförderten") Kosten abzieht. Das 21-seitige Schreiben erging an zwölf Organisationen (etwa Rotes Kreuz, Johanniter NÖ-Wien, Volkshilfe Wien, Train of Hope, Islamische Föderation, türkisch-islamischer Kulturverein Teesdorf).

Zuckerbrot und Peitsche

Nach der Streicheleinheit ("Sie leisten mit Ihrem aktuellen Engagement einen sehr wesentlichen Beitrag in der Bewältigung der Migrations- und Flüchtlingssituation") kommt der Absender aus dem Innenressort zum Punkt. Man möge bis zum 7. März mitteilen, "in welcher Höhe Spenden bei Ihnen seit dem 4. September 2015 mit der Widmung Flüchtlingshilfe eingegangen sind und wie viel von diesem Spendenaufkommen bislang für diese Maßnahmen bereits verbraucht wurde." Und, so der "Hinweis" des Innenressorts, man werde auf diese Angaben auch "bei der Gewährung weiterer Förderungen beziehungsweise bei der Förderabrechnung Bedacht zu nehmen" haben.

Eine Bedachtnahme, die die Verzögerungen bei den Auszahlungen erklären könnte. Denn vertragsgemäß reichen die NGOs ihre Kosten an jedem 5. des Monats ein und bekommen sie für den Vormonat zurückerstattet. Das ist in der Sonderrichtlinie des Innenministeriums so vereinbart.

Nur noch bis Ende März

Auf genau diese bezieht sich das von Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) geführte Ressort auch bei seiner Spenden-Subtraktion. Die "Sonderrichtlinie" trat am 23. Oktober 2015 in Kraft und läuft Ende März aus. Fixiert ist darin unter anderem das Procedere für die Förderungen der Kosten, die den NGOs ab dem 4. September 2015 rund um die "Hilfsmaßnahmen für Transitflüchtlinge" entstehen. Unter Punkt VI.1 wird auf grundsätzliche Förderrichtlinien des Bundes verwiesen, wonach "grundsätzlich nur jene Kosten förderbar sind, die ... nicht durch Zuwendungen Dritter (insbesondere Spenden) abgedeckt sind".

Bei den Hilfsorganisationen ist nun Feuer am Dach – wobei die Aufregung nur hinter vorgehaltener Hand verbalisiert wird. Das hat einen Grund: Bis dato hat das Innenministerium noch keine neuen Verträge mit den NGOs gemacht, obwohl die Sonderrichtlinie, auf denen die basieren, in zwei Wochen ausläuft. Es gebe Gespräche, heißt es im Ministerium; man könne nicht planen, wie man weiterarbeite und mit wie vielen Mitarbeitern, sagen die NGOs.

"Absolute Frechheit"

Der Geschäftsführer des Fundraising Verband Austria (FVA), Günther Lutschinger, macht aus seiner Empörung kein Hehl. Das Ansinnen des Innenministeriums sei "eine absolute Frechheit und bedeutet einen Anschlag auf das Spendenwesen in Österreich". Natürlich hätten die NGOs die Sonderrichtlinie und den darin fixierten Spendenabzug gekannt – aber der sei im Fall der Flüchtlingshilfe völlig unangebracht.

Schließlich seien Flüchtlingshilfe und deren Finanzierung Staatsaufgabe – "aber der hat da versagt und die NGOs gebeten zu helfen. Und die sind dann für den Staat in Vorlage getreten." Kurzum: Der Staat habe seine Aufgaben nur ausgelagert. Während er in anderen Fällen, etwa bei der Leitung des Lagers Traiskirchen, Verträge gemacht habe, greife er in diesem Fall zu Förderverträgen.

"Missbrauch des Spendengedankens"

Auswege gibt es: Spenden-Zweckwidmung für Maßnahmen, die nicht aus staatlichen Mitteln finanziert werden. Die Johanniter etwa machen das so: Sie haben eine Zweckwidmung in ihren Spendenaufruf verpackt, wonach Spenden für "Flüchtlingshilfe" ausschließlich für Belange "verwendet werden, die nicht aus staatlichen Mitteln finanziert werden können". Die Johanniter haben denn auch eine Leermeldung ans Ministerium zurückgeschickt.

Dass das Innenressort nun bei der Kostenübernahme die Spenden in Abzug bringt (und sich damit etwas spart), hält der FVA-Chef schlicht für einen "Missbrauch des Spendengedankens". Und: "Genauso gut könnten die Spender ihren Beitrag gleich ans Innenministerium überweisen."

Auftrag vom Finanzministerium

Oder ans Finanzministerium. Denn selbiges hat das Innenministerium an die Sonderrichtlinie VI.1 erinnert, es sei Zeit, dass die Vereinbarungen eingehalten werden, sagte ein Involvierter dem STANDARD. Auch der Sprecher des Innenministeriums bestätigt: Der Brief an die Flüchtlingshelfer – der auch dem ORF-Radiosender Ö1 vorliegt – "folgt einem entsprechenden Einwand des Finanzministeriums hinsichtlich der bestehenden Sonderrichtlinien für die Förderungen". (Renate Graber, 21.3.2016)