Der türkische MInisterpräsident Ahmet Davutoglu, Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk und Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission nach der Einigung am Samstag.

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Migranten in der Nähe des Grenzübergangs Idomeni (Archivbild vom 1. März)

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Athen/Brüssel/Mailand – Die Vereinbarungen zum EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei sind seit heute zwar formell in Kraft, aber mit der Umsetzung gibt es noch Probleme: Griechenland fehle es an Personal, türkische Beamte seien noch nicht vor Ort und Einzelheiten der geplanten Rückführung von Flüchtlingen unbekannt, hieß es in Athen. Unterdessen wurden vor den Küsten Italiens und Libyens wieder hunderte Flüchtlinge gerettet.

Ein Abkommen wie das beschlossene lasse sich nicht "in nur 24 Stunden" umsetzen, sagte der Koordinator für Einwanderungspolitik der griechischen Regierung, Giorgos Kyritsis. Bei einer Kabinettssitzung am Samstagnachmittag sei zwar ein Plan aufgestellt worden, führte Kyritsis aus. "Aber de facto braucht man Strukturen, das Personal muss vorbereitet sein und das dauert ein bisschen länger als 24 Stunden."

Die Türkei ist laut ihrer Vereinbarung mit der EU ab sofort verpflichtet, Flüchtlinge zurückzunehmen. Die tatsächliche Rücksendung von Flüchtlingen soll laut der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erst am 4. April beginnen.

4.000 Mitarbeiter erforderlich

Nach Einschätzung der EU-Kommission benötigt Griechenland zur Umsetzung des Übereinkommens schnell Hunderte Asyl-Experten, Dolmetscher und Richter aus anderen EU-Staaten. Insgesamt seien 4.000 Mitarbeiter erforderlich, hieß es. Nach Angaben der EU-Kommission werden für die eigentlichen Rückführungen 50 Frontex-Experten sowie 1.500 Polizeikräfte gebraucht.

Der Pakt sieht vor, dass alle Flüchtlinge, die ab Sonntag illegal von der Türkei nach Griechenland übersetzen, ab Anfang April zwangsweise in die Türkei zurückgebracht werden. Vorher haben die Flüchtlinge jedoch das Recht auf eine Einzelfallprüfung im EU-Land Griechenland. Nur wer nachweisen kann, dass er in der Türkei verfolgt wird, darf bleiben. Dies dürfte aber nur für wenige gelten. Etwa die Hälfte der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge sind Syrer.

Fischer skeptisch

Bundespräsident Heinz Fischer glaubt allerdings nicht wirklich an einen Erfolg des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals. Die Wahrscheinlichkeit, dass er funktioniere, liege bei 50 oder 35 Prozent, sagte Fischer der "Presse am Sonntag". Zugleich wies er die Kritik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel an der österreichischen Flüchtlings-Obergrenze als "nicht schlüssig" zurück.

Verteilung unklar

Für jeden Syrer, der in die Türkei zurückkehrt, will die EU einen Syrer aus der Türkei aufnehmen. Allerdings ist die Verteilung der Menschen noch unklar, da viele EU-Mitglieder kaum oder gar keine Flüchtlinge aufnehmen wollen.

Vor den Küsten Italiens und Libyens sind unterdessen Samstag insgesamt rund 1.500 Flüchtlinge aus Seenot gerettet worden. Die italienische Küstenwache sprach von 910 Menschen, die bei vier unterschiedlichen Einsätzen in Sicherheit gebracht worden seien. Ein Mensch konnte den Angaben zufolge nur noch tot geborgen werden.

Mehrere Tote

Ein Sprecher der libyschen Marine sagte, vor der Westküste des Landes seien fast 600 Flüchtlinge aus vier Booten gerettet worden. Eines davon sei gesunken. Zudem seien die Leichen von vier Frauen geborgen worden. Einige Flüchtlinge würden noch vermisst. Es handle sich unter anderem um Menschen aus schwarzafrikanischen Ländern und aus Bangladesch.

Europa sieht sich mit der größten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert. Seit Anfang 2015 sind mehr als 1,2 Millionen Menschen angekommen, die meisten davon aus Afrika und dem Nahen Osten. Die EU fürchtet jetzt auch einen massiven Flüchtlingszustrom aus dem politisch instabilen Libyen. (APA, 20.3.2016)