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"Die Welt steht nicht mehr lang", hat meine Oma immer gesagt, wenn ihr etwas Neues unheimlich war, wenn sie etwas Aufregendes nicht einordnen konnte. Sie hat dann kurz und heftig das baldige Ende der Welt ausgerufen und dann war die ganze Sache für sie auch wieder erledigt. Diesen einen Satz hat sie sicher auch schon 1978 gesagt. Damals wurde zum Beispiel in Großbritannien gerade das erste IVF-Baby gezeugt. Falls es manche nicht wissen: IVF steht für Invitro-Fertilisation und meint künstliche Befruchtung, heute ein alter Hut. Ob meine Oma mit ihrem legendären Sager dazu explizit Stellung genommen hat, ist mir persönlich nicht erinnerlich. Ich war gerade einmal sieben Jahre alt.

Neulich im Kino: Future Baby!

Ich weiß gar nicht, was aus dem ersten IVF-Baby geworden ist. Es müsste heute, wenn ich richtig rechne, etwa 38 Jahre alt sein. Was ich aber weiß: Es gibt mittlerweile weltweit mehr als vier Millionen IVF-Babys – die meisten keine Babys mehr. Das weiß ich nur deshalb, weil ich neulich im Kino war, um mir eine Pressevorführung eines neuen Dokumentarfilms anzuschauen – und dabei sehr an meine Oma denken musste. Dort im Dunkel habe ich mich nämlich erinnert, wie die Oma selbst noch vor mehr als zehn Jahren zusammen mit ihrer vierjährigen Urenkelin in einem Wiener Kino saß, und sich furchtbar aufregen musste, weil die Abenteuer des kleinen Babyfischs Nemo, dessen Mama früh verstorben war und der jetzt zu allem Überdruss auch noch seinen Vater in den Weiten des Ozeans verloren hatte, einfach zu viel für eine knapp 90-jährige Uroma waren. Nur so viel: Die Welt stand damals nicht mehr lange!

Um jeden Preis

Mir ging es jetzt ähnlich im Kino. Da ging es zwar nicht um Fische, aber um Babys und Eier und darum, wie sie in Zukunft entstehen und dass diese Zukunft jetzt schon stattfindet. "Future Baby" der österreichischen Filmemacherin Maria Arlamovsky, der Mitte April in die Kinos kommt, ist ein großartiger Film, der nicht bewertet, sondern lediglich aufzeigt. Und das so schonungslos, dass man manchmal nicht mehr hinschauen, sondern lieber die Hände über dem Kopf zusammenschlagen will. "Future Baby" verhandelt das Recht auf Elternschaft "um jeden Preis", bei dem Kinderrechte leider auf der Strecke bleiben, Auswahlverfahren für Eizellenspenderinnen, die an Castings erinnern, Samenbanken, die Spendersamen von bereits verstorbenen Samenspendern horten, Leihmütter, die ausgebeutet werden, Sex-Selektion und Baby-Engineering. Was meine Oma zu einer künstlichen Gebärmutter für Männer gesagt hätte, weiß ich. Die Welt steht nicht mehr lange! Aber sie hat das beim ersten Mondflug auch gesagt. Und auch immer, wenn ich die Freisprecheinrichtung auf meinem Handy aktiviert habe. Die Welt … (Mia Eidlhuber, derstandard.at, 20.3.2016)