Es gibt wenige so befriedigende Gerichte wie einen guten Schwammerlreis. Die Mischung aus tief-fleischig-komplexem Pilzgeschmack und cremigem Reis macht jeder Schüssel Miso-Ramen Umami-Konkurrenz, wenn es darum geht, in seinem Esser intensives Glücks- und Wohlgefühl auszulösen. Es braucht dafür nicht einmal Pilzstars wie Trüffeln oder Morcheln, schon die stille zweite Reihe wie Champignons oder Totentrompeten reichen für eine süchtigmachende Köstlichkeit.

Foto: Tobias Müller

Das liegt unter anderem daran, dass Pilze das Seegras des Binnenkochs sind: Umamibomben, die jede Menge natürliche Geschmacksverstärker enthalten und daher alles besser machen, womit sie in Berührung kommen. Umami, der wortwörtliche "Wohlgeschmack", verdankt sich drei Stoffen: Glutamat (bekannt aus Seetang, Parmesan und reifen Tomaten) und den wenig appetitlich klingenden Stoffen Inosinmonophosphat (in Fleisch und Fisch zu finden) und Guanosinmonophosphat (in Pilzen)."

Während jede für sich Freude macht, potenziert sich ihre Wirkung enorm, wenn man sie miteinander kombiniert. Die umami-verrückte japanische Küche etwa verdankt ihre Köstlichkeit maßgeblich dem Dashi, dem japanischen Fond aus Kombu und Katsuobushi. Kombu ist das Lebensmittel mit dem mit Abstand höchsten Gehalt an Glutamat, Katsuobushi enthält wiederum jede Menge Inosinat.

In einem Schwammerlreis lässt sich dieses System mindestens genauso gut verwirklichen. Ich habe für meine Variante zu allen drei Umami-Machern gegriffen: Reifer Käse und Schwammerln für Glutamat und Guanosin, eine Extraportion Ionosin habe ich per großer Sardelle (ein weiterer klassischer Umami-Booster) hineingeschummelt. Das Ergebnis war zum Schüsselauslecken. Der Arbeitsaufwand ist minimal. Bloß die getrockneten Pilze wollen etwas vorausschauend eingeweicht werden. Mein Reis ist nach Barcelona Paella-inspiriert und daher nicht halb flüssig. Wer Risotto will, greift zu mehr Flüssigkeit und einem kleinen Trick. Rühren muss niemand. (Die Mär vom ständig gerührten Risotto ist schon so oft widerlegt worden, dass ich mir das an dieser Stelle spare).

Mit oder ohne Miso

Die Menschen hinter Modernist Cuisine rühren noch einen Schuss Miso in ihren Reis. Ich habe das mit einem Teil meines Schwammerlreises und etwas rotem Miso auch probiert. Das Ergebnis schmeckt tatsächlich noch einen Tick umamiger, das Miso rundet aber gleichzeitig einige Ecken und Kanten im Geschmack ab, die mir eigentlich sehr gut gefallen. Und es neigt dazu, den Schwammerlgeschmack etwas zu übertünchen. Das nächste Mal täte ich noch weniger und ein milderes Miso nehmen. Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert. Und keine Sorge: Ihr Reis wird weder nach Fisch noch nach japanischem Lieferservice schmecken.

Ein Risotto ist natürlich nicht das einzige, was sich per Pilz aufmotzen lässt. Danny Bowien, der Mann hinter den berühmtesten Chinarrestaurants der USA, bedient sich gern einer unterschätzten Zutat: Er verwendet getrocknetes Schwammerlpulver wie andere MSG und würzt damit eine ganze Reihe von Gerichten, die mit Pilzen an sich nicht viel am Hut haben. Ich werde mich ans Pulverisieren machen und es ihm hoffentlich bald gleichtun.

Besonders süchtig machender Schwammerlreis

Zu den Zutaten: Ich habe erstens sehr viel und zweitens drei verschiede Schwammerln genommen: getrocknete Steinpilze, getrocknete Totentrompeten (wenn wer einen besseren Speisepilznamen kennt, bitte posten) und frische braune Champignons. Ich kann es nicht belegen, aber ich bilde mir ein, die schmecken nach mehr als die weißen. Um ganz besonders viele Pilze in den Reis zu packen, habe ich einen Teil der frischen Pilze zudem in der Küchenmaschine gehäckselt und dann niedergebraten.

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Der Reis muss ein Rundkornreis sein, sonst wird das nichts mit der Cremigkeit. Welchen Sie nehmen ,ist Geschmacksfrage. In Barcelona kommt Bomba, die lokale Sorte aus der Gegend um Valencia, auf den Tisch, Risotto-, Sushi-, oder Milchreis tut's aber auch. Gekocht wird er in etwa in drei Mal so viel Flüssigkeit – wenn Sie also so wie ich 250 Gramm Reis verkochen, brauchen Sie 750 ml Wasser (oder, noch besser, Hühnersuppe).

Meine Sardelle war eine der köstlichen, katalanischen Sardellen, die in Salz eingelegt samt Innereien jahrelang reifen dürfen, bevor sie für erschreckende Preise verkauft werden (fast zwei Euro pro Stück sind durchaus üblich). Das gibt noch mehr Umami, muss aber natürlich nicht sein. Nehmen Sie die Sardelle, die Ihnen am nächsten liegt. Katalanische Salzsardellen sind allerdings recht groß. Wenn die Ihren klein sind, nehmen sie lieber zwei.

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Wenn Sie es gern richtig risotto-flüssig haben, mit schwappenden Wellen und dergleichen, nehmen Sie etwas mehr Wasser und benutzen sie diesen Trick).

Für zwei Esser brauchen Sie:

zwei Handvoll getrocknete Pilze, etwa Steinpilze und Totentrompeten

10 bis 15 braune Champignons, die Hälfte geviertelt, die andere Hälfte klein gehäckselt

250 Gramm Rundkornreis

1 große Zwiebel, fein gehackt

750 ml Wasser

1/8 Liter Weißwein

Zwei Knoblauchzehen, gehackt oder dünn geschnitten

Ein bis zwei Sardellen, filetiert und klein geschnitten

Eine Handvoll frisch geriebenen gereiften Käse, Parmesan oder ähnliches

Mindestens zwei Stunden, bevor Sie essen wollen, packen Sie die getrockneten Schwammerln in eine Schüssel und übergießen Sie sie mit kochendem Wasser/Hühnersuppe und lassen sie ziehen.

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Eine Stunde vor dem Essen gießen Sie in eine schweren, breiten Topf (dicker Boden verhindert Anbrennen, große Oberfläche lässt Flüssigkeit gut verdampfen) so viel Olivenöl, dass der Boden ordentlich bedeckt ist, und erhitzen es kräftig. Vierteln Sie die Hälfte Ihrer Champignons (bei mir sechs Stück), und braten Sie sie im heißen Öl, bis sie schön braun sind.

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Nehmen Sie sie heraus, lassen das Öl aber im Topf, und schalten Sie die Hitze auf niedrig. Braten Sie die Zwiebeln in dem Öl sanft, bis sie etwas Farbe haben, gern eine halbe Stunde oder länger (siehe auch Sofregit). Geben Sie die gehäckselten Schwammerln, die Sardelle(n) und den Knoblauch dazu, schalten Sie die Hitze etwas hinauf, und braten Sie alles, bis die Flüssigkeit großteils verdampft ist. Löschen Sie die Mischung mit einem Glas Weißwein ab, und lösen Sie etwaige Krusten vom Topfboden.

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Nehmen Sie die eingeweichten Schwammerln aus dem Einweichwasser (aufheben!), drücken sie etwas aus und braten Sie sie kurz mit der Zwiebel-Pilzmischung mit, dann schütten Sie auch noch den Reis in den Topf und braten auch diesen zwei, drei Minuten. Während der Braterei bringen Sie das Einweichwasser zum Kochen. Sobald es kocht, gießen Sie es über die Reis-Schwammerl-Mischung, rühren kurz um, schalten die Hitze auf sehr niedrig und lassen alles 20, 25 Minuten sieden, bis der Reis die gewünschte Konsistenz hat. Wenn es Ihnen Spaß macht, dürfen Sie hin und wieder rühren, es zwingt Sie aber keiner.

Nehmen Sie den Topf von der Hitze, rühren die gebratenen Champignons, den geriebenen Käse und je nach Lust und Laune etwas Miso unter und servieren Sie den Reis mit noch etwas mehr geriebenem Käse bestreut. Ein Salat dazu schadet nicht, wird aber auch nicht unbedingt benötigt. (Tobias Müller, 20.3.2016)

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Teile der Trockenschwammerln verdanke ich übrigens Günther Ellersdorfer, Sammler und Trockner von allem, was die Natur um Wien so Gutes hergibt. Falls Sie Kräuter, Pilze oder WIldgemüse brauchen, schicken Sie ihm ein Mail:

guenther.ellersdorfer@gmx.at