"Spiegel"-Korrespondent Hasnain Kazim wurde aus der Türkei abgezogen: "Ich glaube, von Pressefreiheit kann man in der Türkei schon seit langem nicht mehr sprechen."

Foto: imago/Sven Simon

Hamburg – Die Türkei hat dem "Spiegel"-Korrespondenten Hasnain Kazim die Verlängerung seiner Presse-Akkreditierung verweigert. Kazim sei daher aus dem Land abgezogen worden, teilte "Spiegel Online" am Donnerstag mit. Der 41-Jährige berichte nach zweieinhalb Jahren in Istanbul nun von Wien aus für "Spiegel" und "Spiegel Online" über die Türkei.

Verletzung der Pressefreiheit

"Das Verhalten der türkischen Behörden lässt für uns keinen anderen Schluss zu, als dass unser Korrespondent aufgrund seiner journalistischen Berichterstattung vor Ort nicht mehr erwünscht ist", erklärte "Spiegel Online"-Chefredakteur Florian Harms. Das Verhalten der türkischen Behörden verletze die Pressefreiheit und sei nicht tolerabel. Kazim habe in vielen Berichten "fair, aber kritisch Missstände und Fehler der Regierung beleuchtet". Das tue jeder "gute Journalist". "Selbstverständlich werden 'Der Spiegel' und 'Spiegel Online' auch weiterhin fair, aber kritisch über das Geschehen in der Türkei berichten", sagte Harms.

Die Aufenthaltsgenehmigung für ausländische Journalisten sei an die Akkreditierung geknüpft, hieß es in der Mitteilung auf "Spiegel Online" weiter. Der "Spiegel" habe sich monatelang um eine Verlängerung bemüht. Kazim könne "nicht mehr frei im Land arbeiten" und sei abgezogen worden.

Vorwurf der einseitigen Berichterstattung

Kazim sagte, seinen Presseausweis für dieses Jahr habe er vor mehr als drei Monaten beantragt. Offiziell werde der Antrag weiterhin bearbeitet. Weder er noch der "Spiegel" rechneten aber damit, dass er noch bewilligt werde. "Die Türkei hat mir nie einen Grund genannt dafür. Es wird wohl damit zu tun haben, dass die Machthaber in diesem Land unzufrieden sind mit der Berichterstattung des 'Spiegel'." Anhänger der islamisch-konservativen AKP-Regierung werfen dem Nachrichtenmagazin einseitige Berichterstattung vor.

Bundesregierung involviert

Kazim übte Kritik an der Regierung in Ankara. "Ich glaube, von Pressefreiheit kann man in der Türkei schon seit langem nicht mehr sprechen." Aus Sicherheitskreisen sei ihm zugetragen worden, dass ihm ein Prozess wegen Unterstützung einer Terrororganisation drohen könnte, sollte er das Land nicht verlassen. "Bloß weil ich mit Leuten gesprochen habe, die die Türkei als Terroristen bezeichnet."

Kazim sagte, die deutsche Regierung habe sich bei der türkischen Regierung für seinen Fall eingesetzt, leider ohne Erfolg. "Ich glaube, die Bundesregierung hat getan, was sie tun konnte."

Zwangsverwaltung und Klagen

Die türkische Regierung steht derzeit wegen ihres Umgangs mit kritischen Journalisten und Oppositionellen heftig im Visier der Kritik. Unter anderem hatte sie regierungskritische inländische Medien unter Zwangsverwaltung gestellt und Journalisten mit Klagen unter Druck gesetzt. Kritiker sehen die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei bedroht.

Nach Einschätzung von Hendrik Zörner vom Deutschen Journalistenverband (DJV) zeigt die Angelegenheit erneut die ernsten Folgen der "pressefeindlichen Politik der türkischen Regierung". Kazim sei nicht der erste ausländische Journalist, der das Land verlassen habe, schrieb Zörner am Donnerstag in einem Blogbeitrag auf der DJV-Homepage. Auch Berichterstatter der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der norwegischen Zeitung "Aftonbladet" seien ausgereist. Weitere Journalisten dürften darüber nachdenken. Laut tagesschau.de ist auch ein "Welt"-Korrespondent betroffen, dem "Welt"-Reporter Deniz Yücel werde von der AKP-Presse vorgeworfen, Sympathisant der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein. Zum Schutz ihres Korrespondenten hat die "Welt"-Chefredaktion entschieden, dass er vorläufig nicht mehr von vor Ort berichtet. (APA, red, 17.3.2016)