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Dilma Rousseff nimmt ihren Vorgänger Lula in die Regierung auf.

Foto: Reuters/Doce

Schon am Mittwochnachmittag haben sich in Brasilien die Spekulationen über die Ernennung von Ex-Präsident Luis Inácio Lula da Silva zum Stabschef der aktuellen Staatschefin Dilma Rousseff bestätigt. Demnach tritt Jaques Wagner ab und überlässt Lula seinen Posten – das verlautete offiziell aus der Präsidentschaftskanzlei. Der Stabschef der Präsidentschaft entspricht einem Ministerpräsidenten und ist das höchste Amt in Brasiliens Kabinett. Gleichzeitig dementierte Rousseff aber auch Vorwürfe, Lula ins Team geholt zu haben, um ihn vor weiteren Antikorruptionsermittlungen und möglicher Haft zu schützen.

Doch der Ärger der Bevölkerung über dieses Manöver war groß. Vier Stunden später, um 19 Uhr, ließen dann mehrere brasilianische Medien eine "Bombe" platzen: Sie veröffentlichten den Mitschnitt eines Telefonats zwischen Lula und Rousseff, das die beiden wenige Stunden vor der Verlautbarung um 13.32 Uhr geführt hatten und das bestätigen solle, dass der Grund für die Aufnahme Lulas eine Immunisierung gegen die drohende Strafverfolgung sei:

Rousseff: Hallo.

Lula: Hallo.

Rousseff: Lula, lass mich dir was sagen.

Lula: Sag ...

Rousseff: So, ich sende gerade Bessias (offenbar Jorge Rodrigo Araújo Messias von der Rechtsabteilung des Büros des Stabschefs, Anm.) mit dem Papier. Nur, falls wir es brauchen, okay?!

Lula: Äh, okay, okay.

Rousseff: Das war's, du musst nur warten, bis er kommt.

Lula: Okay, ich bin da. Ich warte.

Rousseff: Passt.

Lula: Passt.

Rousseff: Ciao.

Lula: Ciao.

"Aus Vorsicht gehandelt"

Gegen 21 Uhr erklärte Rousseff offiziell, "aus Vorsicht gehandelt" zu haben. Lula werde zum Zeitpunkt der offiziellen Ernennung am Donnerstag nicht in Brasilia sein, und sie habe lediglich für diesen Fall vorgesorgt.

Die Präsidentschaft kündigte als Reaktion auf das abgehörte Telefonat nicht näher bezeichnete Maßnahmen gegen den ermittelnden Bundesrichter Sérgio Moro wegen eines "unverhohlenen Verstoßes gegen das Gesetz und die Verfassung" an.

Erklärungsbedürftig ist jedoch die Aussage des Vorsitzenden der Arbeiterpartei (PT), Rui Falcão, der am Mittwoch darüber informierte, dass Lula am kommenden Dienstag in die Regierung aufgenommen werde.

Stimmung kocht

Die Stimmung in der Bevölkerung kocht jedenfalls. Und der Industrieverband des Bundesstaats São Paulo, Fiesp (Federação das Indústrias do Estado de São Paulo), projizierte auf die Fassade der eigenen Zentrale die an Rousseff gerichteten Worte "Renúncia Já" – Sofort abtreten.

Der Beweggrund für Rousseffs Manöver soll die "Immunität" für ihren Vorgänger sein, wird von den Kritikern behauptet. Das Regierungsamt würde Lula – zumindest vorläufig – vor einer Verhaftung schützen, da gegen ein Regierungsmitglied nur der Oberste Gerichtshof Ermittlungen einleiten kann. Bisher hat aber "nur" die Staatsanwaltschaft in São Paulo die Ermittlungen in der Petrobras-Affäre geführt und Anklage wegen Geldwäsche erhoben.

Hoffen auf Aufschwung

Rousseff dürfte auch aus eigenem Interesse gehandelt haben: Lula – er genießt trotz allem weiterhin große Beliebtheit bei vielen Brasilianern – soll ihr Image aufbessern und die Zufriedenheit mit der gegenwärtigen Präsidentin, seiner direkten und von ihm selbst aufgebauten Nachfolgerin, steigern.

Insbesondere durch die starke Rezession mehren sich die Proteste gegen Rousseff. Die Wirtschaftsleistung droht dieses Jahr um weitere 3,6 Prozentpunkte zu sinken. (Anna Celine Mark aus Rio de Janeiro, 17.3.2016)