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Das System sucht für den Container im Physical Internet den optimalen Weg.

Foto: Reuters / Jean-Paul Pelissier

Steyr – Der Gedanke ist faszinierend: So wie Datenpakete über unterschiedliche Server, Knotenpunkte und Provider schnell und präzis durchs Netz geschleust werden, so könnten auch physische Pakete in Containern ihren Weg von A nach B über Straßen, Schienen und Umschlaglager finden.

"Als Internetuser muss man nicht darüber nachdenken, welche Hubs, Schnittstellen und Protokolle verwendet werden, damit eine E-Mail beim Empfänger ankommt", veranschaulicht Oliver Schauer, Leiter des Bereichs Verkehrslogistik & Mobilität am Logistikum Steyr der FH Oberösterreich. Im sogenannten Physical Internet soll es ähnlich funktionieren: "Ein modularer, standardisierter Container wird durch ein offenes, globales Logistiksystem bis zum Empfänger bewegt."

m Forschungsprojekt "Atropine – Fast Track to the Physical Internet" wollen Schauer und sein Team ein erstes Demonstrationsprojekt in Österreich durchführen.

Die Knotenpunkte eines Physical Internets entsprechen der bestehenden Infrastruktur der Logistikdienstleister, Industrie- und Handelsbetrieben, die mit den Technologien eines "Internets der Dinge" aufgerüstet werden. Sie behalten ihre Ressourcen und Lagerstände aber nicht für sich, sondern stellen sie im Rahmen eines offenen Systems bereit, um das Gesamtsystem effizienter zu machen.

"In Europa haben wir das Problem, dass die durchschnittliche Auslastung bei 60 Prozent liegt. Es wird also viel Leerraum durch die Gegend gefahren. Hier möchte das Physical Internet ansetzen", führt Schauer vor Augen.

Genaue Koordination gefragt

Der Weg, den ein Container eines Kunden im Physical Internet nimmt, muss sich nicht zwangsläufig und durchgängig der Infrastruktur des beauftragten Unternehmens bedienen. Das System sucht sich den optimalen Weg und nutzt nach wirtschaftlichen, aber auch ökologischen und sozialen Gesichtspunkten die insgesamt im Netzwerk vorhandenen Kapazitäten bestmöglich aus.

"Es könnte etwa sein, dass ein Dienstleiter mit freiem Laderaum im Lkw unterwegs ist und ihn das System zu einem Unternehmen routet, das genau diesen freien Laderaum füllen kann", gibt Schauer ein Beispiel.

Die Technologien, die für eine derartige Koordinierungsleistung vonnöten sind, existieren teilweise bereits. GPS und Sensorik, Telematik- und IT-Netzwerke sind weit entwickelt. Um die Offenheit des Systems zu gewährleisten, sind modulare, standardisierte Physical-Internet-Container notwendig, die "die Intelligenz des Systems auf Packstückebene herunterbrechen", sagt Schauer.

Intelligente Sensorik gibt dabei nicht nur über den Ort, sondern auch über den Zustand, die Temperatur, Luftfeuchtigkeit und andere Parameter Auskunft. Auf EU-Ebene wird im Rahmen des Projekts "ETP-Alice" eine Technologieplattfrom erarbeitet.

Investition in die Zukunft

Um der Idee Leben einzuhauchen, müssen die Systemteilhaber bereit sein, Daten in Echtzeit auszutauschen und unternehmensfremde Ressourcen zu nutzen. "Wenn der Hub des Mitbewerbers näher am Kunden ist, verwendet man eben diesen, um die Waren für die Last-Mile-Zustellung umzuschlagen. Und wenn 1000 Stellplätze im nächsten Supermarktlager frei sind – warum nicht dort zwischenlagern?"

Natürlich stellt sich auch die Frage, welche neuen Geschäftsmodelle für ein derartiges System notwendig sind. Die Kooperation dürfe nicht kartellartig werden, erklärt Schauer. Die Frage nach einer neuen Verteilung von Gewinn und Verlust sowie nach einem neuen rechtlichen Ordnungsrahmen stellt sich.

In Steyr haben sich die Forscher im Rahmen des 2016 gestarteten Projekts Atropine vier Themenbereiche herausgepickt: die Weitergabe von Echtzeitinformation, geteilte Nutzung von Infrastruktur, smarte Container und Synchromodalität, also den Einsatz verschiedener Verkehrsträger. Die Entwicklungen in diesen Bereichen sollen im Rahmen eines kleinen Netzwerks von Projektpartnern ausgebaut und evaluiert werden.

Schauer sieht den Ansatz als Investition in die Zukunft: "Wenn ein derartiges System gelingt, können wir Straßen entlas- ten oder ein künftiges Wirtschaftswachstum zumin-dest auf den bestehenden Strukturen bewältigen." (Alois Pumhösel, 18.3.2016)