Eisenstadt – Im Zuge der vom Wiener Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm angestoßenen Debatte über die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU kam von den pannonischen Genossen ein besonders einprägsames Argument. Robert Hergovich, der rote Klubobmann im Landtag, erinnerte die Wirtschaftskammer daran, dass jedem Unternehmer doch klar sein müsse, "dass mit der Beschäftigung von Pendlern aus dem Ausland Kaufkraft aus dem Burgenland abfließt". Das müsse doch auch im Interesse der Unternehmer liegen.

Das Argument ist deshalb bemerkenswert, weil die Wirtschaftskammer seit der Grenzöffnung im Jahr 1989 die zunehmenden Verflechtungen zwischen dem Burgenland und Westungarn regelmäßig untersuchen lässt. Und dabei immer wieder auf den erstaunlichen Umstand stößt, dass das Burgenland eigentlich in überproportionaler Weise von der offenen Grenze und dem steigenden Wohlstand in Westungarn profitiert – gerade was die Kaufkraft betrifft.

Zuflüsse aus dem Ausland

Eine von der burgenländischen Kammer in Auftrag gegebene Kaufkraftstromanalyse aus dem Jahr 2013 fasst die Situation in drastische, Hergovich diametral widersprechende Worte: "Nur aufgrund der Kaufkraftzuflüsse kann der Einzelhandel im Burgenland seine Bilanz gerade noch ausgleichen."

Den größten Nachbar-Zufluss in den burgenländischen Einzelhandel liefern Ungarn mit knapp 130 Millionen Euro. Nur der Tourismus und "sonstige unregelmäßige Einkauffahrten" liegen knapp darüber. Aus der Slowakei mit dem nahen Ballungsraum Bratislava kommen mehr als 40, aus Slowenien auch noch eine Million, hauptsächlich ins strukturschwache Südburgenland.

Im Zeitraum von 2010 bis 2013 – 2011 endeten die freizügigkeitsbeschränkenden Übergangsbestimmungen – stieg der Abfluss burgenländischer Kaufkraft zwar tatsächlich. Von den erhobenen 317 Millionen, die das Burgenland in Shoppingabsicht verlassen, geht allerdings beinahe die Hälfte – 44 Prozent – nach Niederösterreich mit seinen Einkaufskonglomerationen in Wiener Neustadt und vor allem Vösendorf. Tendenz steigend: 126 Millionen waren es 2010, 138 Millionen 2013.

Kaufkraftsauger E-Commerce

Besonders zugenommen hat – auch das ein unter wohl auch sozialdemokratischen Nägeln brennendes sozialpolitisches, arbeitsrechtliches und steuerliches Thema – der Internethandel. Im sogenannten E-Commerce verdoppelte sich der Kaufkraftabfluss aus dem Burgenland von 26 im Jahr 2010 auf 65 Millionen Euro 2013.

Im gleichen Zeitraum verringerte sich der Abgang Richtung Ungarn von 30 auf 24 Millionen. Das müsse man, meint Burgenlands Wirtschaftskammerpräsident Peter Nemeth, doch mit einbeziehen in die so folgenschwere Debatte um Arbeitnehmerfreizügigkeit.

D'accord geht Nemeth bei der Verschärfung der Kontrollen "hereinarbeitender" Firmen, die durch Dumpinglöhne quasi als Schmutzkonkurrenten auftreten würden. Eine Verschärfung der Entsenderichtline begrüße die Kammer, diene sie doch auch einer Wohlstandssteigerung drüben. Und damit der heimischen Kaufkraft. (Wolfgang Weisgram, 17.3.2016)