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Diese Unterkunft, eine leerstehende Schule in Paris, hatten Flüchtlinge vorübergehend besetzt. Auf der Suche nach Alternativen gibt es häufig Widerstand der Bevölkerung.

Foto: Reuters/Wojazer

Das 16. Arrondissement von Paris ist mehr als ein Stadtviertel. "Es ist wie eine Stadt auf dem Land", schwärmt etwa die Sängerin Carla Bruni, die dort mit Kind und Mann Nicolas Sarkozy lebt. "Es ist sehr angenehm, hier zu flanieren, ohne festes Ziel. Ich mag die Läden, die kleinen Straßen, die Dorfgeräusche."

Seit kurzem sind in dem ebenso noblen wie teuren Viertel zwischen Eiffelturm und dem Stadtwald Bois de Boulogne, wo Fußballstar Zlatan Ibrahimovic wohnt und Céline Dion einen Zweitwohnsitz hat, weniger friedliche Töne zu hören. "Lügner" und "Hurensohn" schrien piekfeine Anwohner in Anzug und Krawatte. Adressat der unfeinen Worte war ein Architekt, der in einem Versammlungsraum gerade das Projekt einer Wohncontainer-Siedlung für Flüchtlinge im "Seizième" (16. Bezirk) erklärte

Die Besucher der Versammlung, die zum Teil dem rechten Front National angehören sollen, hörten aber nicht zu: Mit Pfiffen und Gebuhe verhinderten sie den Vortrag. In Anlehnung an ein früheres Lager in Nordfrankreich skandierten ältere Anwohner: "Kein neues Sangatte im 16.!"

Vor dem Saal, in den nicht einmal alle der 800 Besucher Einlass fanden, forderte eine Dame auf einem Schild: "Dschungel nein" – ein Bezug auf das wilde Migrantencamp in Calais mit dem Übernamen "Jungle". In dem überfüllten Tagungsraum wurde eine Angestellte der Pariser Polizeipräfektur, die beruhigend intervenieren wollte, mit Rufen wie "Salope!" (Schlampe) unterbrochen.

Der konservative Bürgermeister des 16. Bezirks, Claude Goasguen, verteidigte nicht die angegriffene Beamtin, sondern die erhitzten Anwohner: "Sie ertragen nicht, wenn ihnen etwas per Diktat aufgezwungen wird." Doch Ian Brossat, ein kommunistischer Vizebürgermeister der linken Stadtregierung, blieb dabei: "Wir richten solche sozialen Zentren nicht nur in einfacheren oder ärmeren Vierteln ein." Zum Schluss musste der Saal wegen Tumulten geräumt werden.

Die Anwohner fechten die Baubewilligung für das Projekt entlang des Bois de Boulogne noch vor Gericht an. Ein Anwohner erklärte einem Pariser Sender: "Hier am Rande des Stadtwaldes verkehren Spaziergänger, Jogger, Kinderwagen. Zusätzlich 200 Sozialfälle in prekärer Lebenslage – das schafft Probleme, die wir hier nicht wollen."

"Irrationale Panik"

Dabei ist noch unsicher, ob wirklich Flüchtlinge in den holzverkleideten Wohncontainern einziehen. Die Pariser Stadtverwaltung wollte ursprünglich "200 Migranten und Obdachlose" ansiedeln; in den letzten Wochen sprach sie aber nur noch von "besonders Schutzbedürftigen".

Das ehemalige KP-Organ L'Humanité, das den betuchten Bürgern im Seizième noch nie zugetan war, unterstellt ihnen "irrationelle Panik". Ihr Verhalten spreche Bände über die knausrige Aufnahme von Flüchtlingen in ganz Frankreich.

Von den 363.000 Syrern, die 2015 in der EU um Asyl ersucht haben, entfallen nur 5000 auf Frankreich – nicht einmal ein Dreißigstel der deutschen Zahlen. Paris hat sich im Herbst verpflichtet, den Deutschen tausend Kriegsflüchtlinge – man nennt sie in Frankreich "les Merkel" – abzunehmen. Bisher wurden nur 500 effektiv aufgenommen.

Dass Paris so wenige Syrer oder Iraker aufnimmt, hat seinen Grund aber auch darin, dass nur wenige überhaupt nach Frankreich wollen. Die meisten Flüchtlinge ziehen Deutschland, Schweden oder England vor. Anders als der 16. Bezirk von Paris haben zahlreiche französische Städte und Dörfer Empfangsorte eingerichtet, in denen laut Hilfswerken sehr korrekte Bedingungen herrschen. (Stefan Brändle aus Paris, 17.3.2016)