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Großer Bahnhof für die Rückkehrer: Das russische Fernsehen zeigte Bilder der Begrüßungszeremonie am Flughafen der Stadt Woronesch für die ersten heimkehrenden Piloten.

AP

Mit Militärkapelle und Fahnenmeer wurden am Dienstag die Suchoi-34-Kampfbomberpiloten, die als Erste wieder russischen Boden betraten, in der Heimat empfangen. Erst am Abend davor hatte Russlands Präsident Wladimir Putin überraschend den Teilrückzug der russischen Streitkräfte aus Syrien verkündet. Innerhalb einer Woche könnte laut Experten das Gros des russischen Militärs die Heimreise antreten. Den Luftwaffenstützpunkt südlich von Latakia und die Marinebasis in Tartus will Moskau dabei allerdings nicht aufgeben.

So ist garantiert, dass innerhalb kürzester Zeit ein militärischer Wiederaufbau vorgenommen werden kann, sollten die Verhandlungen in Genf nicht zum gewünschten Erfolg führen. Zudem kündigte der russische Vize-Verteidigungsminister Nikolai Pankow weitere Luftangriffe auf Stellungen der Extremistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) an. Nach einem Bericht der Hisbollah-TV-Station al-Manar eroberte das syrische Militär am Dienstag mit russischer Luftunterstützung westlich der Oasenstadt Palmyra Gebiete vom IS zurück.

Den Abzug der Luftwaffe begründete der Kremlchef damit, dass die russischen Piloten ihre Aufgabe erfüllt hätten. Die erzielte Waffenruhe habe zu einer deutlichen Verringerung des Blutvergießens in Syrien geführt. "Es ist gelungen, die Voraussetzungen für den Beginn eines Friedensprozesses unter Leitung der UN zu schaffen", teilte der Kreml mit.

Koordinierter Abzug

Der Abzug sei sowohl mit US-Präsident Barack Obama als auch mit Syriens Staatschef Bashar al-Assad abgesprochen, betonten dabei Moskauer Offizielle. US-Außenminister John Kerry wird in der kommenden Woche nach Moskau reisen, um mit Präsident Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow die Lage in Syrien zu besprechen.

Die meisten russischen Experten sind überzeugt, dass der Kreml die Militäraktion eingestellt hat, weil die wichtigsten politischen Ziele erreicht wurden. Zunächst einmal hat Putin Assads Position in Syrien durch seine Militärhilfe deutlich gestärkt. Wurde der syrische Staatschef vor wenigen Wochen noch in der Hauptstadt Damaskus bedrängt, konnte die Armee dank der effizienten Luftunterstützung eine Offensive starten, die bis in die Rebellenhochburg Homs führte.

Zugleich habe Putin aber auch sein Hauptziel erreicht, nämlich den Westen dazu zu zwingen, mit ihm, der nach der Ukraine-Krise als Ausgestoßener galt, auf Augenhöhe zu reden, meint der stellvertretende Direktor des Instituts für Politik- und Militäranalyse Anatoli Chramtschichin. "Wir konnten beobachten, dass zwei Länder sich mit der Lösung des syrischen Problems befasst haben – Russland und die USA", sagte er.

UN-Sondergesandter Staffan de Mistura bezeichnete den Beginn des Abzugs als Hoffnung für den Friedensprozess. Ein Sprecher der syrischen Opposition sagte, der Schritt könnte zu einem Ende des Kriegs führen. In Genf starteten am Montag die Verhandlungen über eine Friedenslösung in Syrien, in die Assad deutlich gestärkt geht. Allerdings gab es zuletzt aus Moskau auch Andeutungen, dass der Kreml eine Föderalisierung Syriens in Kauf nehmen werde, "wenn das syrische Volk dafür stimmt".

Freude und Protest in Syrien

Am Montag löste die Nachricht des Teilabzugs aus Syrien in Idlib und Homs spontane Demonstrationen aus. Die Menschen verlangten erneut den Sturz der Regimes. Opponenten der Regierung verhehlten ihre Freude über den Schritt nicht. Ein Karikaturist zeichnete Assad, wie er mit aller Kraft versucht, den sich verabschiedenden russischen Bären an der Leine zurückzuhalten. Überhaupt gab es viel Zynismus zu diesem russischen "Geburtstagsgeschenk", das genau auf den Jahrestag des Ausbruchs der Revolte gegen die Diktatur am 15. März 2011 fiel. Ob die Freude lange währt, ist fraglich, nachdem die Al-Nusra-Front am Dienstag über Nachrichtenagenturen hat verlauten lassen, sie würde in den nächsten 48 Stunden eine Offensive lancieren, da klar sei, dass Russland eine Niederlage erlitten habe.

Kommentatoren äußerten die Vermutung, dass mit dem Ende der prominenten russischen Rolle in Syrien das Feld bestellt sei und dass der Iran diesen Part übernehme. Generell wurde viel spekuliert über die tatsächlichen Hintergründe und Absichten des Kreml-Herrn, dem attestiert wurde, dass er nicht den Terror beendet, sondern das alawitische Reduit, vor allem die Provinz Latakia, gesichert habe. Für den prominenten Analysten Maher Sharaf al-Din bedeutet die Entscheidung direkten Druck auf Assad, um in alles einzuwilligen, was Moskau wolle. Bereits in den letzten Wochen war mehrfach auf russische Verstimmung gegenüber Assads Starrköpfigkeit hingewiesen worden. (André Ballin aus Moskau, Astrid Frefel aus Kairo, Manuela Honsig-Erlenburg, 15.3.2016)