Wien – Im ORF soll es zumindest auch ein bisschen "serbeln" – also Deutsch etwa mit serbischem oder auch einem anderen Akzent aus Zuwanderersprachen gesprochen werden. Dafür plädierten Sprachwissenschafter bei einem "ORF Dialogforum" am Dienstag. Einschränkung: Für Nachrichtensendungen soll das etwa nicht gelten.

"Der Sprachgebrauch in Österreich soll sich abbilden", betonte der Linguist Rudolf de Cillia (Uni Wien). "Wir haben hier einen großen Prozentsatz an Personen, die so sprechen." Wenn ein Armin Assinger mit seinem Kärntner Dialekt moderiere, müsse das auch bei jemandem mit slawischem Akzent möglich sein. Das störe auch das Publikum nicht: "Es haben sogar ganze Generationen von Quizmastern mit holländischem Akzent Karriere gemacht." Allerdings hänge der Einsatz von Sprechern mit Akzent durchaus von der Rolle ab: "Nachrichten moderieren ist etwas anderes als ein Quiz moderieren."

Sprecher mit Akzenten

Sein Kollege Rudolf Muhr von der Uni Graz verwies auf Großbritannien: Die BBC setze seit 15 bis 20 Jahren auf Sprecher mit anderen Akzenten: "Das soll vor allem Zuwanderer aus Pakistan und Indien abbilden." Auch hier gebe es allerdings die Einschränkung, dass diese keine allgemeinen Nachrichtensendungen moderieren. Seiner Ansicht nach würden Sprecher mit erkennbarem Zuwandererakzent im öffentlichen Fernsehen mittelfristig die Akzeptanz dieser Gruppen steigern – "nachdem sie zunächst einmal Aggressionen von eindeutiger Seite hervorrufen". Auch Muhr verwies auf Assinger, dessen Dialekt zunächst Empörung bei den Zusehern hervorgerufen habe: "Heute regt sich keiner mehr darüber auf."

Zurückhaltender zeigte sich ORF-Chefsprecher Haimo Godler: Er könne sich "nicht vorstellen, dass diese Sprechweisen in Informationsendungen im engeren Sinne goutiert werden würden". Auf einem mehrsprachigen Sender wie FM4 habe es aber durchaus seinen Platz und solle auch vorkommen. "Man muss sich anschauen, wo es hinpasst und wo nicht." (Muhr: "Radio Wien!")

Gegenstück zu Deutschlandismen

Muhr plädierte auch für den Erhalt des Österreichischen Deutsch als Gegenstück zu sogenannten Deutschlandismen. Dabei gehe es nicht nur um bestimmte Ausdrücke. "Wir sind ja alle zweisprachig. Wir reden unter Freunden nicht so, wie wir hier in dieser formellen Situation sprechen." Das sei ein massiver Unterschied zu Sprechern nördlich der Rhein-Main-Linie. "Die reden wirklich den ganzen Tag gleich – das ist für österreichische Verhältnisse unvorstellbar."

Dem pflichtete De Cillia bei: "Man kann in ein und derselben Wortmeldung Standarddeutsch reden und in den Dialekt wechseln, ohne dass das auffällt." Lehrer würden etwa in der Schule den Stoff in der Standardsprache präsentieren. "Wenn einer dann stört, sagt er aber: 'Geh Franz, gib a Ruah, sunst hau i di ausse.'"

Muhr plädierte für eine Bewusstmachung, was überhaupt Österreichisches Deutsch sei: "Die Einstellung 'Man kann ja eh beides verwenden' führt dazu, dass Austriazismen verschwinden." Und: "Weil es keine Bewusstmachung gibt, ist alles gleich und das, was aus dem Fernsehen kommt, wird höher bewertet und bevorzugt." Dabei seien "bundesdeutsche" Ausdrücke ja nicht schlecht. Diese sollten wie eine Art Sprache ins Repertoire aufgenommen werden. Lehrer sollten solche "Deutschlandismen" in der Schule daher auch markieren und die Schüler darauf hinweisen, diese dann zu verwenden, wenn dies ein "bundesdeutscher Sprecher" sage.

Chancenungleichheit

Auch Godler plädierte dafür, an den Schulen Sprachkompetenz in dem Sinne zu vermitteln, dass die Schüler unterscheiden können, welche Variante die in Österreich gebräuchliche sei. In den Medien müsse diese wiederum auch transportiert werden. Er ortete dabei aber auch eine "Chancenungleichheit": Der ORF dürfe auf seiner TVthek Produktionen gerade einmal sieben Tage vorrätig halten, um das Österreichische "in die Auslage" zu stellen. Andere Anbieter hätten ganz andere Möglichkeiten: "Was auf Youtube ist, ist für die Ewigkeit da."

Laut der Vorsitzenden des ORF-Publikumsrats, Ilse Brandner-Radinger, vergehe keine Gremiumssitzung ohne Diskussion über die "leckere Sahne" im ORF. Durch Synchronisierung würden spezifisch österreichische Ausdrücke verdrängt – größter Anstoß für vor allem ältere Seher seien aber weniger "bundesdeutsche" als englische Ausdrücke. Diese hätten weniger Probleme mit "Tomaten" und "Kartoffeln", sondern mit der "Prime Time" und "Great Moments". (APA, 15.3.2016)