Beat Schneider (SRG), Ingrid Brodnig (profil), Konrad Mitschka (ORF-Public-Value-Kompetenzzentrum), Jasmin Dolati (ORF-Radio Wien), Heinz Sichrovsky (News und ORFIII-"erLesen") und Jan Hofer (ARD-Tagesschau).

Foto: ORF/Günther Pichlkostner

Heinz Sichrovsky (News und ORFIII-"erLesen") und Jan Hofer (ARD-Tagesschau).

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Wien – Nationale und regionale Sprachidentitäten vermischen sich im alltäglichen Gebrauch gern miteinander, besonders wenn der Wortschatz multilingual ist.

Unter dem Motto "Wie lecker ist Österreichisch?" diskutierten Vertreter der Medienwelt Dienstagmittag beim ORF-Dialogforum die Frage, wer oder was angesichts der Globalisierung die österreichische Sprachkultur prägt.

Mediensprache und Identitätsstiftung

Der österreichische Kulturjournalist und Moderator Heinz Sichrovsky steckt schon vor der eigentlichen Diskussion die Grenzen ab: "Niemand will provinzlerischen Sprachchauvinismus und infantilen Dadaismus in der Sprache." Wortneuschöpfungen wie "Mahü", "Öffis" und "Modelmama" sind ihm daher ein Gräuel. Laut Sichrovsky schleichen sich immer mehr "grausige Sprachhybriden" in die deutsche Sprache ein.

Ingrid Brodnig ("Profil") überträgt die Verantwortlichkeit der Sprachschulung auf die komplette Berufssparte der Berichterstatter: "Journalisten haben die Verantwortung, den Sprachschatz zu erweitern und zu erinnern, dass die deutsche Sprache schön ist. Österreichisch ist ja nur ein Dialekt des Deutschen, und wir haben eine wunderbare Art zu Schimpfen."

Jasmin Dolati, Programmchefin von Radio Wien, ist der Meinung, man müsse das Thema "Sprache" mehr in den Mittelpunkt rücken, um die Rezipienten zu erreichen. Nur so würden Diskussionen entstehen. So wie mit der Radio-Wien-Sendung "Sprechen Sie Wienerisch?", bei der altwienerische Ausdrücke vorgestellt und erklärt werden.

Amerika und Anglizismus

Auf die Frage, ob sich Anglizismen schon zu sehr in die deutsche beziehungsweise österreichische Sprache hineingefressen hätten, führt Jan Hofer, Chefsprecher der ARD-"Tagesschau", an, dass der Berufsstand des Journalisten nicht dazu gemacht sei, Anglizismen wegzuputzen. Ein Berichterstatter müsse auch mit Lehnübersetzungen zurechtkommen, denn bei einer lebenden Sprache gehöre das nun einmal dazu. Und obwohl die Sprache im Journalismus klar und deutlich sein müsse, könne nicht verhindert werden, dass Wortentlehnungen entstehen.

Dolati ist ähnlicher Meinung: Anglizismen seien nötig und manchmal unumgänglich. Gerade im Radio müsse man sich mehr dem alltäglichen Sprachgebrauch annähern, als nach Wort und Schrift zu reden: "Man holt die Menschen ab, die so kommunizieren."

Zudem wird bemerkt, dass etwaige Lehnübersetzungen nur mangels guter und sinnhafter Übersetzungen eines Wortes entstehen: So leitet man den neusprachigen Internetbegriff "Troll" nicht etwa von der grimmigen Märchengestalt ab, sondern von "to troll", was so viel wie "angeln" bedeutet.

Brodnig betont, dass Anglizismen an sich nicht zwingend schlecht seien, sondern der Umgang mit der englischen Sprache Nachholbedarf verlange: "Wie wir die englische Sprache im Deutschen verwenden, ist schlecht."

"Tatort": Synchronisation ohne Dialekt

Auch in der Schweiz kämpft das Fernsehen mit der Sprache: Neben denselben Alltagshürden wie in Deutschland und Österreich kommt noch der besondere Dialekt hinzu, von dem es vier verschiedene gibt, die nicht immer jedem geläufig sind.

Beat Schneider von der Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) nennt als Beispiel die Krimireihe "Tatort", die zwar im Dialekt gedreht wird, allerdings nur als Synchronfassung ausgestrahlt werden kann.

Konzentration der Zuschauer sinkt

Laut Hofer ist die Tatsache, dass die heutige Jugend mehrsprachig aufwächst, nicht so interessant wie die Zuschauerforschung, die besagt, dass Rezipienten nicht mehr so lange zuschauen wollen oder können, wie es noch vor zehn oder 20 Jahren üblich war. Man hat maximal eine Minute und 30 Sekunden Zeit, um den Zuschauer zu überzeugen. Im Vergleich zu früher hat man also eine "vollkommen veränderte Medienwelt". Die Annäherung an den modernen Zuschauer sei die lebendige Sprache, erinnert Hofer.

"Political Correctness" auf Deutsch

Sichrovsky macht auf den seiner Meinung nach unverständlichen Gebrauch der "Korrektheitssprache" aufmerksam: So hätten auch die Werke der Kinderbuchautorin Astrid Lindgren Probleme mit dem Einzug politisch korrekter Sprache. Sie hatte beispielsweise den Begriff "Negerkönig" in "Pippi Langstrumpf" verwendet – allerdings schon vor mehr als 50 Jahren – und löste damit zuletzt eine Rassismussebatte aus.

Auch Christine Nöstlinger nutze Wörter wie "Neger" und "Zigeuner" in ihren Werken, was allerdings erst 30 Jahre später bemängelt werde, so Sichrovsky. Er findet dabei den Dialog mit den Kindern wichtig. Sie müssten erfahren und erklärt bekommen, weshalb solche Begriffe zur damaligen Zeit nicht so schlimm gewesen seien, wie sie womöglich heute seien. Die Begriffe wegstreichen und durch andere ersetzten – wie es beim "Negerkönig" der Fall war, der nun "Südseekönig" getauft wurde – sei schlimmer, als die Begriffe unkommentiert stehen zu lassen: "Erklären ist gut."
(sc, 16.3.2016)