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Liebesgrüße an die russische Hauptstadt: "Ich liebe Moskau".

Foto: REUTERS/SERGEI KARPUKHIN

Seitdem ich mit Eltern und deren Kindern zum Thema mehrsprachige Erziehung arbeite, fanden viele unterschiedliche Familien den Weg zu mir, unter anderem Anna und Chris mit ihrem Sohn Viktor. Viktor wächst mit Slowenisch und Deutsch auf. Im Gespräch sagte Viktors Vater etwas Entscheidendes: "Ich bin auch dafür zuständig, dass Viktor Slowenisch lernt!"

Im familiären Alltag spricht der Vater Deutsch mit dem Kind und die Mutter Slowenisch. Untereinander sprechen die Eltern Deutsch. Die Mutter ist selbst zweisprachig aufgewachsen, mit Slowenisch und Deutsch. Viktor geht in einen deutschsprachigen Kindergarten. Die Momente sind also nicht viele, in denen er Slowenisch hört und aktiv verwenden kann. Umso wichtiger ist es also, diese Sprache zu stärken. Was meinte aber Chris genau? Ich hakte nach. "Mein Sohn spürt, dass ich hinter seinen beiden Sprachen stehe. Dass ich nicht nur Deutsch als wichtig erachte, sondern auch seine sprachliche und kulturelle Entwicklung auf Slowenisch unterstütze. Auch wenn ich die Sprache aktiv nicht spreche, stehe ich moralisch hinter dem Modell und den Bemühungen von Anna."

Die moralische Unterstützung

Er gab mir ein Beispiel. Als die Familie in Slowenien war und Viktor die Sprache auf der Straße hörte, machte er sich darüber lustig und suchte bei seinem Vater einen Verbündeten. "Ich bin aber nicht auf seinen Spaß eingegangen. Später, als wir allein waren, habe ich ihm gesagt, dass ich diese Sprache schön finde und ich mich freuen würde, wenn ich so viel verstehen und sprechen könnte wie er. Ich spürte, er war unsicher. Dann war er stolz, dass er etwas beherrscht, was der Papa nicht kann. Ich habe dadurch seine Entwicklung auf Slowenisch beeinflusst, ohne diese Sprache mit ihm zu verwenden."

Die Geschichte von Viktor zeigt, wie wichtig die moralische Unterstützung des Partners ist, der die Mehrheitssprache spricht. Dass er hinter dem Vorhaben "mehrsprachige Erziehung" steht.

Sprache und Gefühl

Es gibt Eltern, die diesen wichtigen Zugang nicht verinnerlicht haben. So erzählte mir eine Mutter, die mit ihrer Tochter Polnisch spricht, dass der Vater ihr davon abgeraten hat. "Wir sprechen zu Hause Englisch, die Erstsprache meines Mannes. Er meint, unsere Tochter kann Deutsch und Englisch, damit kommt sie weltweit überall hin, das reicht doch. Wozu soll sie noch Polnisch lernen?" Dabei verkennt der Vater, dass es hier nicht nur um Sprache als Kommunikationsmittel geht. Über Sprache werden Gefühle vermittelt, die man als Elternteil meistens am besten in seiner eigenen Erstsprache ausdrücken kann, das ist wichtig für die emotionale Beziehung mit dem Kind. Und es wird der Zugang zu den Kulturen eröffnet, die dieses Kind ausmachen.

Im politischen und gesellschaftlichen Diskurs werden Sprachen ständig, direkt oder indirekt, priorisiert. Mehrsprachige Kinder wissen sehr bald, wie es um das Ansehen ihrer Sprachen bestellt ist. Und wenn sie Gegenwind spüren, verunsichert sie das. Um sie zu stärken, brauchen sie beide Elternteile, die zu all ihren Sprachen und Kulturen stehen, die sie ausmachen.

Wertschätzung

Ein Vater beschreibt, wie er mit seiner kleinen Tochter Russisch mitlernt, denn seine Frau spricht es mit dem Kind. Anfangs verstand er nichts, nun geht es immer besser. Vor allem Kosewörter könne er, sagt er schmunzeln. Es geht dabei um die Wertschätzung, nicht um die Kompetenz. Gibt es ein größeres Zeichen an Wertschätzung gegenüber der zweiten Sprache im Leben des Kindes, als wenn Papa oder Mama, der oder die sie nicht als Erstsprache hat, sie lernen will? Wohl kaum. Ich sehe, wie die Augen meiner Tochter lachen, wenn ihr Vater einige Brocken auf Bulgarisch sagt. Sie strahlt und verbessert liebevoll seine Aussprache, und ist auch etwas stolz, weil sie einmal den Erwachsenen etwas beibringen kann.

Unsere mehrsprachigen Kinder brauchen ein klares Ja von allen, die sie lieben. (Zwetelina Ortega, 15.3.2016)