Wien – Aron wedelt mit dem Schwanz. Er ist gerade gut gelaunt. Das ist er nicht immer – manchmal knurrt der Dackel-Mischling sein Herrchen an oder stellt die Haare auf. Warum er das tut, versteht sein Besitzer, Walter Leißer, nicht immer. "Er sagt's Ihnen eh, aber er kann halt kein Deutsch", meint die Hundetrainerin. Mit ruhiger Stimme erklärt sie dem 56-Jährigen die Körpersprache seines Haustieres – und gibt Erziehungstipps: "Werfen Sie ihm ein Leckerli zu, dann merkt er, dass Sie keine Bedrohung sind."

Leißer ist mit seinem Hund in einer Einrichtung der Wiener Wohnungslosenhilfe untergebracht. Aus der letzten Unterkunft ist er "geflogen", weil sein Vierbeiner einem Mitbewohner "ins Wadl gezwickt" hat. Mit den 20 Stunden Hundetraining erfüllt er nun eine Auflage der Magistratsabteilung für Veterinärdienste und Tierschutz (MA 60).

Hundetrainerin Sunny Benett und Sozialarbeiterin Siegrid-Ina Groschopf vom Projekt "A G'spia fürs Tier" der Volkshilfe Wien unterstützen ihn dabei. Ziel ist, dass Leißer weder seinen Wohnplatz noch sein Haustier verliert. Und ihm soll ermöglicht werden, auch künftig eine Wohnung zu erhalten – sei es bei der Gemeinde oder am privaten Markt.

Walter Leißer im Videointerview.
derstandard.at/von usslar

Wichtigste Bezugsperson

Denn die vierbeinigen Weggefährten seien den Betroffenen oftmals wichtiger als ein Dach über dem Kopf. Für Obdachlose könne das Haustier die wichtigste Bezugsperson sein, meint Benett. "Es ist immer da und hat alle Lebensetappen mit einem durchgestanden." Auch Walter Leißer sieht das so: "Wenn sie sagen, sie nehmen mir den Aron weg, geh ich lieber unter die Brücke."

Ein Projektziel sei auch, so Groschopf, dass künftig mehr Einrichtungen Haustiere zulassen und "verstehen, dass das eine Chance ist". Derzeit würden die Vierbeiner oftmals nur geduldet oder als Belastung empfunden. Dabei würden Tiere soziale Kontakte fördern und den Tagesablauf strukturieren. Leißer stimmt zu: Früher habe er sich im Zimmer eingesperrt, jetzt bleibe ihm gar nichts anderes übrig, als spazieren zu gehen.

Hund Aron ist für Walter Leißer eine wichtige Bezugsperson. Für ihn würde er "unter die Brücke" gehen. Dazu soll es aber nicht kommen – das Hundetraining soll helfen, den Wohnplatz zu behalten.
Foto: Maria von Usslar

Eigentlich ein Menschenprojekt

Für Sozialarbeiterin Groschopf steht nicht der Hund im Mittelpunkt – "A G'spia fürs Tier" sei eigentlich "ein Menschprojekt". Weil sie über das Tier den Zugang zum Menschen finde.

Bei den Besuchen seien zunächst Hund, Katze oder Meerschwein Thema, doch irgendwann würden die Klienten auch andere Sorgen ansprechen. Auch sehr verschlossene Personen würden beginnen, von sich zu erzählen – ganz nebenbei, denn eigentlich geht es ja um das Haustier.

"A G'spia fürs Tier" wurde 2014 ins Leben gerufen und ist das erste seiner Art in Wien. Bei einer Bedarfserhebung habe sich gezeigt, dass Obdachlose mit ihren Tieren oft überfordert sind, so Groschopf.

Das hänge auch damit zusammen, dass Tiere verhaltensauffällig werden können, wenn sie von der Straße in einen geschlossenen Raum umziehen, sagt Hundetrainerin Benett. Die Besitzer wüssten dann nicht, wie sie damit umgehen sollen.

Trainings und Besuchsdienste

Bedarf gibt es aber auch, wenn etwa ein Krankenhausaufenthalt ansteht und das Tier währenddessen versorgt werden muss. Und auch bei Mitarbeitern von Wohnungsloseneinrichtungen besteht Nachfrage – etwa wenn die Betreuung eines Bewohners nur eingeschränkt möglich ist, weil sein Haustier sich aggressiv verhält.

Die Initiative bietet neben Beratungen und Hundetrainings für wohnungslose Menschen auch Besuchsdienste vom "Mensch-Tier-Team" an: für jene, die sich kein Haustier zulegen dürfen oder wollen.

Mitarbeiter der Wohnungslosenhäuser können bei Schulungen erfahren, wie sie gefährliche Situationen mit Vierbeinern vermeiden können. Wie es mit dem Projekt weitergeht, soll bis Ende März entschieden werden: Ein Antrag auf Projektförderung liegt derzeit beim Fonds Soziales Wien. (Christa Minkin, 14.3.2016)