In der Zirkusmanege und im Kindergarten heißt das "Belohnen", in der zwischenstaatlichen Diplomatie spricht man eher von einem "Tauschgeschäft". Die Merkel-EU belohnt die miesen rechtsstaatlichen Praktiken der türkischen Führung auch noch, kritisiert Innenministerin Johanna Mikl-Leitner: Vorverlegung der Visaliberalisierung für Türken bei Reisen in die EU, obwohl die türkische Regierung gerade eine große kritische Zeitung unter Zwangsverwaltung gestellt hat.

Da geht also einiges durcheinander. Im Fahrplan zur Aufhebung der Visapflicht für türkische Staatsbürger, den die EU-Kommission aufgestellt hat, steht nichts über Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei. Die Idee war: Türkische Geschäftsleute zum Beispiel sollen, wenn nötig, von einem Tag auf den anderen nach Wien oder Frankfurt fliegen können, ohne vorher für Geld beim Servicecenter der jeweiligen Botschaft Flugtickets und Hotelreservierungen vorzeigen und den Sinn ihrer Reise erläutern zu müssen.

Die Probleme beim Tauschgeschäft mit der Visaliberalisierung sind andere. Es geht um technische und rechtliche Anforderungen, die Ankara erfüllen muss. Was laut Brüssel bis 2017 Zeit gebraucht hätte, ließ sich unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise mit einem Mal bereits im Oktober 2016 erreichen. Nun soll es gar Juni sein. Keine Kleinigkeit: Neue biometrische Reisepässe mit Fingerabdrücken etwa sind in der Türkei noch gar nicht gedruckt. (Markus Bernath, 10.3.2016)