Bild nicht mehr verfügbar.

Auch dieser Bettler in Thessaloniki kommt ohne Unterstützung nicht über die Runden

Foto: ap/Nikolas Giakoumidis

Wien/Athen – In Griechenland muss mehr getan werden, um die wachsende Ungleichheit im Land und die dramatisch gestiegene Armut zu bekämpfen. Die sozialen Sicherungsnetze für die Bevölkerung sollten so rasch als möglich gestärkt werden.

Klingt nach der Forderung einer griechischen Linkspartei oder einer karitativen NGO? Weit gefehlt. Die Industriestaatenorganisation OECD hat am Donnerstag einen umfassenden Länderbericht zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Griechenland veröffentlicht. In dem Report macht die Organisation zwar wie üblich auf die vielen Baustellen in dem südlichen Euroland aufmerksam. So müsse Griechenland den Wettbewerb weiter liberalisieren und unnötige bürokratische Hindernisse abschaffen.

Sozialer Verfall

Zugleich widmet sich die OECD aber in ungewöhnlicher Intensität dem sozialen Verfall des Landes. Das Fazit der Experten: Die Sparpolitik und die folgende tiefe Rezession haben zwischen 2007 und 2013 (jüngste Daten) dazu geführt, dass sich die Zahl der in Armut lebenden Griechen verdreifacht hatte. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung verdienen heute weniger als 50 Prozent des Medianeinkommens im Jahr 2005. Medianeinkommen bedeutet, dass die Hälfte der Arbeitnehmer mehr, die Hälfte der Arbeitnehmer weniger Lohn erhält.

Hauptverantwortlich für die Misere ist die stark gestiegene Arbeitslosigkeit, die aktuell bei rund 25 Prozent liegt. Dabei ist ein besonders großer Teil der Betroffenen langzeitarbeitslos, das heißt, sie finden sechs Monate oder länger keine Stelle mehr. Die Sparpolitik war zwar insgesamt ausbalanciert, urteilt die OECD. Doch durch die stark gestiegene Zahl der Arbeitslosen ist die Ungleichheit im Land massiv gestiegen.

Sozialausgaben erhöhen

Die OECD schlägt daher vor, die Sozialausgaben zu erhöhen, und zwar im Umfang von 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Um die benötigten Mittel finanzieren zu können, sollte das Land wie geplant 2016 die Pensionen kürzen und den Kampf gegen Steuerhinterziehung weiter forcieren. Diese Ideen dürften die Regierung in Athen unter Premier Alexis Tsipras weniger erfreuen. Seit Jahren fordern Euroländer und der Internationale Währungsfonds von Athen, den Kampf gegen Steuerhinterziehung zu forcieren. Allzu viel gebracht hat das freilich nicht.

Aus den Zahlen der OECD geht hervor, dass die Reformprogramme in Hellas ihr Ziel verfehlt haben. Griechenland wurde ja von seinen Gläubigern zu einer so genannten "internal devaluation" verdonnert. Die Wirtschaft des Landes soll wettbewerbsfähiger werden, indem Löhne und Preise gedrückt werden. Griechische Waren sollen sich im Vergleich zu deutschen und österreichischen Produkten verbilligen. Weil Hellas seine Währung nicht abwerten kann, muss dies über einen langsamen und stetigen Prozess geschehen. Laut OECD ist tatsächlich das passiert: Der Mindestlohn wurde gesenkt, die Geltung der Kollektivverträge eingeschränkt, Kündigungen erleichtert. Kurzum die Löhne sind gefallen.

Mehr Exporte

Allerdings ist der angepeilte Effekt nicht eingetreten. Die griechischen Exporte haben sich in den vergangenen zwei Jahren zwar wieder etwas erholt, sie liegen aber immer noch deutlich unter dem Wert von 2007.

Als Abhilfe empfiehlt die OECD, bestimmte Wirtschafts sektoren wie das Transportwesen weiter zu liberalisieren. Auch die Infrastruktur, Straßen und Schienen seien teils veraltet und müssten ausgebaut werden. Woher das Geld dafür kommen soll, sagt die OECD nicht. (szi, 11.3.2016)