Heftige Regenfälle haben die drastische Situation im Flüchtlingslager bei Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze noch verschlimmern. Die Behörden kündigten die Räumung des Lagers an.

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Welche Routen nun von den Flüchtlingen genutzt werden könnten.

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"Die illegale Migration über die Balkanroute kommt zu einem Ende; diese Route ist nun geschlossen": Über diese Formulierung im geheim gehaltenen Entwurf einer Erklärung des EU-Türkei-Gipfels am Montag war in den vergangenen Tagen zwischen EU-Staaten, Kommission und Ratspräsident Donald Tusk und in der Zivilgesellschaft nach der Veröffentlichung im STANDARD EU-weit heftig gestritten worden.

Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs wurde der zweite Teil des Satzes in der Nacht auf Dienstag auf Druck Deutschlands entfernt. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die darauf bestand, um ihre Position eines für Flüchtlinge offenen Europa und "Willkommenskultur" zu untermauern, hatte sich danach zufrieden gezeigt: "Es wird nichts geschlossen. Wir helfen Griechenland, seine Außengrenzen zu schützen."

Grenzen dicht

Umso überraschender erschienen keine 17 Stunden später erste Meldungen, dass mehrere Balkanstaaten – ob Mitglied in der EU oder nicht – ab Dienstagabend begannen, ihre Grenzen im Süden für Migranten, die nach Österreich oder Deutschland durchreisen wollten, ganz zu schließen. Zuerst begann Slowenien, es folgten Kroatien und Serbien, ehe auch die mazedonischen Behörden am Mittwochvormittag erklärten: Flüchtlinge aus Griechenland dürften nicht mehr passieren.

Anders als bisher mit den Nachbarn und auch mit Österreich abgestimmt, würden auch kleinere Gruppen von bestimmten Flüchtlingen (nur Syrer, Iraker, Afghanen) nicht mehr nach Norden durchgelassen, hieß es in den Hauptstädten. Slowenien hatte als Erstes damit begonnen, organisierte Transporte der Flüchtlinge in Bussen, wie das noch bei der Balkankonferenz in Wien vor einigen Wochen vereinbart worden war, zu stoppen. Nur noch jene Flüchtlinge würden ins Land gelassen, die direkt um Asyl ansuchen.

Die Balkanroute scheint also für durchreisende Flüchtlinge doch geschlossen. In Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze, wo an die 10.000 Menschen in Regen und Kälte ausharren, begannen Hilfsorganisationen und UNHCR damit, diesen den Weg in Lager im Land zu empfehlen.

Rund 30.000 Flüchtlinge halten sich nach Angaben der Regierung, die nun rasch entsprechende Unterbringung zur Verfügung stellen will, in Athen auf. Es schien, als werde sich daran nicht so bald etwas ändern. Denn fast ebenso überraschend hieß es zu Mittag in Brüssel aus der EU-Kommission, dass dies völlig in Ordnung sei.

Ordnungsgemäß angekündigt

Alle Balkanstaaten hätten die Grenzschließungen ordnungsgemäß angekündigt. Die Maßnahmen seien in Einklang mit den Schengen-Regeln, die das Regime Grenzkontrolle vorgeben, sagte eine Sprecherin. Und sie setzen um, was bereits beim EU-Gipfel im Februar von den Regierungschefs beschlossen worden sei.

Auch Ratspräsident Tusk meldete sich am Nachmittag zu Wort und spendete den Balkanstaaten sogar ausdrücklich Lob: Es sei das Ziel, "den irregulären Strom von Migranten zu beenden".

Die Kommission räumte auch ein, dass die Gefahr bestehe, dass die Flüchtlinge sich neue Routen suchten, etwa über Albanien oder Bulgarien. Die ungarische Regierung hat angesichts der Schließung der Balkanroute den Krisenzustand über das ganze Land verhängt. Polizei und Militär würden zum Grenzschutz um 1.500 Personen verstärkt. Einlass gibt es nur mit gültigem Pass und Visum.

Es zeichnet sich also ab, dass nun in der EU intern zunächst das umgesetzt wird, was auch schon vor dem vorläufig gescheiterten EU-Türkei-Gipfel im Plan war: Die in Griechenland gestrandeten Flüchtlinge könnten in EU-Staaten legal umgesiedelt werden. Ein Kontingent von rund 66.000 ist noch offen. Slowenien hat angekündigt, damit sofort beginnen zu wollen: mit 40 bis 50 pro Monat. (Thomas Mayer aus Brüssel, 10.3.2016)