Fischerle (Elisabeth Veit, li.) und Prof. Kien (Alexander Braunshör).


Foto: Anna Stöcher

Wien – Elias Canettis Roman Die Blendung (1935) ist, wie der Titel schon sagt, ein großes Kabinett der Täuschungen. Die Protagonisten laufen in die offenen Messer ihrer falschen Annahmen. Herr Professor Kien (Alexander Braunshör), ein hinter Bücherwänden verschanzter, weltfremder Sinologe, verwechselt die Sorgfalt seiner Haushälterin beim Abstauben der Bücher mit der Liebe zum Gedruckten. Und ehelicht sie blöderweise. Die Nämliche, Therese Krumbholz (Petra Strasser), verkennt die Avancen eines Möbelverkäufers als Ehrerbietung, während der sich nur an ihr angeheiratetes Kapital heranmachen will.

Besonders gelungen ist in Margit Mezgolichs Bühnenfassung auch die Rolle des Herrn Fischerle (toll, auch sängerisch: Elisabeth Veit), der als heimtückische, aber nicht unsympathische Unterweltsgestalt dem verblendeten Professor das restliche Geld aus der Tasche zieht. Ein Jammer, diese allseits herrschende Blindheit, zugleich aber ein Idealfall für das Theater und seine (De-)Maskierungskunst.

Mezgolich, die auch Regie führt, erzählt Die Blendung als expressionistisches Illusionsspiel, in dem ein Leser (Jens Claßen) die Figuren erst zum Leben erweckt. Mit weiß gepuderten Gesichtern entern sie im Flair der 1920er-Jahre die Bühne. Hinter allerlei Türen und Türchen eines riesigen, in Düsternis gehüllten Einbaukastens (Bühne: Alexandra Burgstaller) hausen neben den Geistern des unglückseligen Bücherhaushalts auch andere Geheimnisse, die nie zum Vorschein kommen werden.

In dieser magischen Realität verschwinden dicke Wälzer in Sofaritzen oder vermehren sich Figuren zu Tripleausgaben ihrer selbst. Da ist immer was los! Teil drei ("Welt im Kopf") allerdings zieht sich. Hier mischt sich die an den Bühnenrand gedrängte Leserfigur zunehmend in das Spiel ein – sie kürzt ab ("an dieser Stelle machen wir einen kleinen Zeitsprung") oder bekennt Verwunderung. Dass auch viele Diskussionen mit den Opfern der Verblendung nichts nützen, war erwartbar. Der Kniff hat dem Stoff aber gute Dienste erwiesen – und die Reflexion angekurbelt. (Margarete Affenzeller, 9.3.2016)