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Behörden untersuchen im März 2011 Anrainer aus dem evakuierten Gebiet nahe dem japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi auf radioaktive Verstrahlung. Auch nach fünf Jahren stapelt sich im Gebiet noch verstrahlter Abraum.

Foto: Reuters/KIM KYUNG-HOON

Der elfte März 2011 hätte für Japan die Wende in dessen Energiepolitik bedeuten können. Bis zur Katastrophe von Fukushima hat das Land die Nutzung der Atomkraft nie infrage gestellt. Damals gab es sogar Pläne, den Anteil der Atomenergie auf bis zu 50 Prozent zu steigern. Nach dem Unglück standen zeitweise alle 48 kommerziellen Reaktoren in Japan still. Der ehemalige Ministerpräsident Yoshihiko Noda verkündete 2012 sogar Pläne zum Atomausstieg.

Inzwischen sind trotz Protesten in der Bevölkerung vier Reaktoren wieder in Betrieb. Die Regierung strebt einen Anteil der Atomenergie an der Stromversorgung bis zum Jahr 2030 von 20 bis 22 Prozent an. Im Moment importiert der Inselstaat mehr als 90 Prozent seines Energiebedarfs. Japan ist nach China und den USA der weltweit drittgrößte Stromverbraucher.

Langsame Konsequenzen

Erst nach fünf Jahren wurden Ende Februar drei hochrangige Manager von der Betreiberfirma Tepco wegen Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht angeklagt. Das Erdbebenforschungsinstitut der Regierung hatte bereits 2007 vor der Gefahr eines bis zu 15 Meter hohen Tsunami gewarnt. Der zehn Meter hohe Schutzwall wurde schließlich 2011 von einer 13 Meter hohen Flutwelle überrollt.

Die Anklage fällt pikanterweise mit dem Bekanntwerden eines anderen Fehlverhaltens des Managements beim Umgang mit der AKW-Havarie zusammen. Tepco verschwieg nämlich im Frühjahr 2011 zwei Monate lang vor Regierung und Öffentlichkeit, dass es in drei Reaktoren zur Kernschmelze gekommen war. Im vierten betroffenen Reaktor befanden sich zur Zeit des Tsunamis keine Brennstäbe. Ausländische Fachleute hatten damals sehr schnell die Kernschmelze konstatiert. Erst jetzt gestand der AKW-Betreiber ein, schon früh Kenntnis von der Kernschmelze gehabt zu haben.

Das hat den Gouverneur der Präfektur Niigata, in dem das größte Kernkraftwerk Japans mit sieben Reaktoren steht, dazu gebracht, die Wiederinbetriebnahme des ebenfalls von Tepco betriebenen AKWs infrage zu stellen. Ohnehin gilt dieses Kernkraftwerk als riskant, weil es bei einem Erdbeben 2007 dort zu einem Brand kam und es deshalb bereits einmal abgeschalten werden musste.

Es ist nicht das einzige mit Risiko behaftete AKW: Kurz nach ihrem Wiederanfahren hat ein Gericht am Mittwoch die Abschaltung zweier Atomreaktoren im Kraftwerk Takahama angeordnet, das etwa 350 Kilometer westlich von Tokio liegt. Beide waren kürzlich wieder hochgefahren worden, Reaktor vier wurde schon im Februar wegen technischer Probleme erneut vom Netz genommen.

Radioaktive Wassermassen

Laut Tepco hat sich die Lage in der Atomruine "stabilisiert". Doch auch nach fünf Jahren kämpfen täglich rund 8000 Arbeiter weiterhin mit gewaltigen Problemen. Die Massen an radioaktiv belastetem Wasser steigen weiter an. Nach Schätzungen von Umweltschutzorganisationen fließen noch immer täglich bis zu 400.000 Liter kontaminiertes Wasser in den Pazifik. Die Folgen für den maritimen Lebensraum sind dabei noch nicht abschätzbar. Es laufen Untersuchungen. (Siegfried Knittel aus Tokio, 10.3.2016)