Bild nicht mehr verfügbar.

Gebisse im Größenvergleich:
Rechts ist der Oberkiefer eines modernen Menschen zu sehen, links jener des Verwandten Paranthropus boisei, der vor 2,3 bis 1,2 Millionen Jahren lebte und sowohl größere Zähne als auch einen robusteren Kieferbau hatte.

Foto: Melissa Lutz Blouin, dapd

Cambridge/Wien – Die Arbeit mancher Wissenschafter erscheint auf den ersten Blick wenig attraktiv: Die Evolutionsbiologin Katie Zink von der Universität Harvard etwa untersuchte für ihre jüngste Studie zerkaute Lebensmittel wie Gemüse und rohes Ziegenfleisch, dessen Konsistenz in ihren Worten "einem Gummiband ähnelt".

Die im Fachmagazin "Nature" veröffentlichten Ergebnisse der Studie können sich aber sehen lassen: Sie deuten darauf hin, dass Menschen seit zwei Millionen Jahren durch erhöhten Fleischkonsum und das Zerkleinern ihres Essens mit Steinwerkzeugen etwa 20 Prozent weniger kauen müssen. Zum Vergleich: Schimpansen benötigen den halben Tag, um ihre Nahrung zu zerkauen, und verbrauchen dabei viel mehr Energie.

Kreative Testmethoden

"Wir zeigen, dass Menschen nicht nur den Kauaufwand reduzieren, indem sie das Essen – besonders Fleisch – vorher zerkleinern, sondern auch viel effektiver kauen", sagt Zink. Die Studie entwickelte sie gemeinsam mit Daniel Lieberman, für den sich diese Zusammenarbeit als besonders herausstellte: "Was meine Kollegin gemacht hat, war kreativ, hat mir aber zugegebenermaßen auch manchmal den Magen umgedreht."

Die Wissenschafterin ließ Probanden Nahrungsmittel in verschiedenen Zerkleinerungsstufen kauen und ausspucken, wenn sie sie auf gut schluckbare Größe zermahlen hatten. Dazu variierte sie den Anteil an Gemüse wie Karotten, Rote Bete oder Süßkartoffeln und rohem Ziegenfleisch, welches eine ähnliche Zähheit und Textur haben soll wie das Wildfleisch, das frühe Menschen zu sich nahmen. Außerdem maß Zink den Kraftaufwand, der zum Kauen nötig war.

Größenveränderung und Sprachentwicklung

Bei einem Fleischanteil von 33 Prozent und in kleine Stücke geschnittenen Lebensmitteln reduzierte sich die Mundarbeit demnach besonders stark. Hochgerechnet wären dies 2,5 Millionen Kaubewegungen pro Jahr weniger. Durch diese Einsparung sowie die energiereiche Fleischnahrung konnten sich das menschliche Gehirn vergrößern und die Zähne verkleinern, vermuten die Forscher.

Sogar das Gesicht verkürzte sich im Zuge der Reduktion des Kauapparates. "Dies war wichtig für die Evolution der Sprache", sagt Lieberman. "Es liegt teilweise daran, dass wir weniger kauen, dass wir zu dem wurden, was wir sind." Hinzu kommt, dass unsere Vorfahren laut aktuellem Wissensstand vor rund 500.000 Jahren begannen, ihr Essen zusätzlich zu kochen, was die Entwicklung weiter vorantrieb. (sic, 9.3.2016)