Die Expertenkommission empfahl, gegen die Ausbreitung der krankheitsübertragenden Moskitos "mit besonderer Dringlichkeit" zu kämpfen. Bislang stehen erst drei Millionen Dollar zur Verfügung, benötigt werden aber 65 Millionen.

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Rio de Janeiro – Das Zika-Virus ist nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Schwangere gefährlicher als bisher angenommen. Neue Forschungen zeigten, dass der Erreger möglicherweise nicht nur die Ursache für Schädelfehlbildungen bei Neugeborenen (Mikrozephalie) sei, sondern auch eine Rolle bei anderen neurologischen Störungen wie etwa dem Guillain-Barré-Syndrom spiele. Klar sei jedenfalls, dass das Virus auch die Plazenta oder das Nervensystem schädigen könne, sagte WHO-Direktorin Margaret Chan am Dienstagabend in Genf.

"Mikrozephalie ist nur eine von verschiedenen möglichen Anomalien", so die WHO-Direktorin weiter. Das Virus finde sich in Blut und Hirngewebe von lebend oder tot geborenen Föten. Grund zu großer Sorge sei außerdem, dass der Erreger häufiger als bisher angenommen durch Geschlechtsverkehr übertragen werden könne. "Das ist alarmierend", so die WHO-Direktorin.

Die WHO hatte wegen der Ausbreitung des Zika-Virus vor allem in Brasilien vor fünf Wochen den globalen Gesundheitsnotfall ausgerufen. Zika ist bisher in mehr als 50 Ländern nachgewiesen worden. Das Virus wird vor allem von Stechmücken übertragen.

Warnung für Schwangere

Auch ohne letzten wissenschaftlichen Beweis zu Zika als Ursache für Schädelfehlbildungen gelte es zu handeln, sagte Chan. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich Zika ähnlich ausbreite wie das Dengue-Fieber. An den grippeähnlichen Symptomen von Dengue erkranken jährlich schätzungsweise 50 bis 100 Millionen Menschen.

Es liege in der Verantwortung eines jeden Staates, betroffene Gebiete genau zu bezeichnen, sagte der Vorsitzende des Notfall-Komitees, David Heymann. "Und es liegt in der Verantwortung der Frauen zu entscheiden, ob sie reisen wollen oder nicht."

Die WHO hat bisher auf eine generelle Reisewarnung verzichtet. Allerdings warnte sie nun Schwangere davor, in betroffene Gebiete zu reisen. Werdende Mütter, deren Sexualpartner in betroffenen Gebieten lebten, sollten während der Schwangerschaft nur geschützten Geschlechtsverkehr haben.

Möglicher Auslöser von Rückenmarksentzündung

Das in Lateinamerika grassierende Zika-Virus kann einer Studie zufolge auch eine schwere Rückenmarksentzündung auslösen. Ein solcher Zusammenhang wurde bei einer 15-jährigen Patientin im französischen Überseegebiet Guadeloupe in der Karibik hergestellt, wie die Forscherin Annie Lannuzel erklärte. Das Virus wurde demnach im Rückenmark der Jugendlichen nachgewiesen.

Veröffentlicht wurde die Studie im britischen Fachmagazin "The Lancet". Die 15-Jährige wurde Mitte Jänner in die Universitätsklinik der Stadt Pointe-a-Pitre auf Guadeloupe mit einer halbseitigen Lähmung eingeliefert. Diagnostiziert wurde eine schwere Rückenmarksentzündung, die zu einer Lähmung der Gliedmaßen führen kann. Als Auslöser wurde das Zika-Virus identifiziert. Andere mögliche Auslöser der seltenen Krankheit konnten durch Bluttests ausgeschlossen werden.

Es handle sich um den ersten Beweis eines Zusammenhangs zwischen dem Zika-Virus und einer Rückenmarksentzündung, sagte Lannuzel, die für das französische Institut für Gesundheit und medizinische Forschung arbeitet.

Erst drei Millionen Dollar

Die Expertenkommission der WHO empfahl, gegen die Ausbreitung der krankheitsübertragenden Moskitos "mit besonderer Dringlichkeit" zu kämpfen. Allerdings stünden von den benötigten 65 Millionen Dollar (59,34 Mio. Euro) erst drei Millionen Dollar zur Verfügung.

Zika ist als Erreger bereits seit fast 70 Jahren bekannt. Die Krankheit hatte aber bisher noch nie gravierende Folgen. In Brasilien werden derzeit 4.222 Verdachtsfälle von Schädelfehlbildungen untersucht. In 82 von 641 eindeutigen Mikrozephalie-Fällen war bei den Müttern eine Ansteckung mit Zika nachgewiesen worden.

Atomenergiebehörde will helfen

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) will ihre Mitgliedsstaaten in Südamerika im Kampf gegen das Zika-Virus stärker unterstützen. In den kommenden vier Jahren sollten 2,3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, um die krankheitsübertragenden Mücken zu bekämpfen, teilte die UN-Organisation in Wien mit.

Der Plan umfasst auch, Experten aus den betroffenen Ländern im April in Österreich auszubilden und Geräte zu liefern, um eine Zika-Infektion deutlich schneller feststellen zu können als bisher. Hauptaugenmerk bleibt die "Verhütungsmethode" für Moskitos: Bei der bereits erprobten Technik werden Millionen männlicher Tiere gezüchtet, kurz bestrahlt und dadurch unfruchtbar. Die nicht radioaktiven Tiere werden in den betroffenen Gebieten in Wellen zu je einer Million jede Woche freigelassen. Nach der Paarung legen die Weibchen keine Eier mehr. So kann die Population reduziert werden. In Brasilien werden die Mücken ab September freigelassen.

"Wenn wir die Moskitos kontrollieren, kontrollieren wir auch das Virus", sagte der stellvertretende Generaldirektor der IAEA, Aldo Malavasi. Positiver Nebeneffekt sei, dass auch andere durch Mücken übertragene Krankheiten wie das Dengue-Virus eingedämmt würden. (APA, dpa, AFP, 9.3.2016)