Wer mehr als 900 Milliliter Kaffee am Tag trinkt, hat möglicherweise ein geringeres Risiko, an MS zu erkranken.

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Mehr als 2,25 Milliarden Tassen Kaffee werden Schätzungen zufolge täglich getrunken. Damit ist Kaffee eines der beliebtesten Getränke der Welt. Der Grund mag beim Koffeingehalt liegen, der die meisten Menschen kurzzeitig aufmerksamer machen kann. Darüber hinaus wurden in den vergangenen Jahren vermehrt Hinweise auf gesundheitsfördernde Eigenschaften des Heißgetränks gefunden: Es soll vor allem neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson entgegenwirken.

Dabei spielt wieder der Hauptwirkstoff Koffein eine große Rolle. Das Alkaloid stimuliert das Zentralnervensystem und kann dabei Nervenzellen vor dem Absterben bewahren. Im Tierversuch entdeckten Forscher verschiedene Wirkungsweisen: Koffein schützt vor "undichten" Stellen in der Blut-Hirn-Schranke und schwächt Entzündungsreaktionen ab. Dies ist besonders bei Multipler Sklerose (MS) von Relevanz – die Krankheit sorgt für angegriffene Myelinscheiden, die Nervenfasern elektrisch isolieren. Koffein ist offenbar zumindest bei Nagetieren in der Lage, dem Abbau der Myelinscheiden entgegenzuwirken.

Studien in Schweden und den USA

Bisherige Studien zum Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und Multipler Sklerose sind zu widersprüchlichen Ergebnissen gekommen. Dem wollten nun Anna Hedström vom Stockholmer Karolinska-Institut und Kollegen mit einer großen Stichprobe auf den Grund gehen. Hierzu führten sie zwei Studien in Schweden und den USA durch, an denen sich insgesamt rund 2.800 MS-Patienten und 4.000 Kontrollpersonen zwischen 16 und 70 Jahren beteiligten.

Für jeden Erkrankten, der infrage kam, wurden zwei Gesunde zufällig aus dem Melderegister ausgewählt. Diese mussten aber annähernd gleich alt sein, das gleiche Geschlecht haben und in der gleichen Gegend wohnen. Dadurch sollte die Menge an zusätzlichen Einflussfaktoren eingeschränkt werden, die die Vergleichsgruppen voneinander unterscheiden könnten. Darüber hinaus wurden Merkmale wie aktives und passives Rauchen, Sonneneinstrahlung und Body Mass Index (BMI) erhoben und mit eingerechnet.

Die wichtigste Frage, die per Interview oder Fragebogen gestellt wurde, war jedoch: "Wie viele Tassen Kaffee trinken Sie normalerweise pro Tag?" Neben Unterschieden in der Formulierung war bei der Auswertung der beiden Länder zu beachten, dass das durchschnittliche Volumen einer Tasse Kaffee verschieden ist. In der schwedischen Untersuchung lag dieser Wert bei 150 Millilitern, in den USA waren es acht US Fluid Ounces, also 237 Milliliter.

Erhöhtes Risiko bei Kaffeeabstinenz

In beiden Ländern hatten die Personen, die keinen Kaffee trinken, ein wesentlich höheres Risiko, an Multipler Sklerose zu erkranken, als intensive Kaffeetrinker. Je höher der Konsum, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung, berichten die Autoren im "Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry": Diejenigen, die mehr als sechs kleinere Tassen (900 Milliliter und mehr) am Tag zu sich nehmen, haben ein 26 bis 31 Prozent niedrigeres MS-Risiko als Kaffee-Abstinente.

Ob dafür das enthaltene Koffein verantwortlich ist, bleibt jedoch fraglich: Kaffee enthält mehr als tausend biologisch aktive Bestandteile, die einzeln oder im Zusammenspiel für diese Wirkung verantwortlich sein könnten. Ein direkter Kausalzusammenhang kann durch die Beobachtungsstudie nicht belegt werden. Zudem ist auf die Selbsteinschätzung und Erinnerungsleistung von Menschen nicht immer Verlass – dennoch ist das Ergebnis ein weiteres Indiz für zukünftige Forschungen, wie die Wissenschafter schreiben. (sic, 17.3.2016)