Wien – Bedenken gegen die geplante Ausbildungspflicht für Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren kommen unter anderem von Behindertenverbänden, Wirtschaftskammer (WKÖ) und Finanzministerium. Kammer und Finanzministerium sehen vor allem das Bildungs- und nicht das Sozialministerium in der Pflicht, heißt es in den Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf.

Der Entwurf des Sozialministeriums, dessen Begutachtungsfrist heute, Dienstag, ausläuft, normiert eine Ausbildungspflicht für alle Jugendlichen bis 18, die die Schulpflicht erfüllt haben und weder eine Schule besuchen noch einer beruflichen Ausbildung nachgehen. Damit sollen "die jugendliche Hilfsarbeit weitgehend eingeschränkt und Anreize zur Teilnahme an Ausbildungsmaßnahmen gesetzt werden".

Zahlreiche Ausnahmen

Laut Entwurf kann die Ausbildungspflicht insbesondere durch den Besuch von schulischen Externistenprüfungen oder auf einzelne Ausbildungen vorbereitenden Kursen (z.B. Lehrgänge zur Vorbereitung auf die Pflichtschulabschlussprüfung oder Berufsausbildungsmaßnahmen) sowie die Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen bzw. Maßnahmen für Jugendliche mit Assistenzbedarf erfüllt werden.

Umfasst sind auch Deutsch-Kurse, solange die reine Konzentration auf den Spracherwerb als zielführend erachtet wird. Auch eine Beschäftigung etwa bei einem Unternehmen ist zulässig, wenn sie mit einem "Perspektiven- oder Betreuungsplan" von Arbeitsmarktservice (AMS) oder Sozialministeriumservice (SMS) vereinbar ist. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen von der Ausbildungspflicht, diese kann unter anderem für Behinderte Personen ausgesetzt werden.

Kritik von Wirtschaftskammer und Behindertenverbänden

Genau hier hakt die Kritik zahlreicher Behindertenorganisationen ein: "Einen Ausschluss von Menschen mit Behinderungen von der Ausbildungspflicht mit der Begründung, dass ihnen eine Ausbildung nicht zuzumuten ist, lehnt die ÖAR (Dachorganisation der Behindertenverbände) strikt ab", heißt es etwa in einer Stellungnahme. Außerdem müsse mit Festlegung einer Ausbildungspflicht auch sichergestellt werden, dass entsprechende Ausbildungsmöglichkeiten für alle auch zur Verfügung stehen.

Die Wirtschaftskammer bemängelt ebenfalls "die Angebotslandschaft": Es müsse ausreichend zielgruppenspezifische Angebote geben. Außerdem müssten mit der Schulpflicht auch jene Standards verbindlich erreicht werden, die die Voraussetzung für eine weitere Ausbildung bieten. "Jeglicher Erwartungsdruck, dass die Unternehmen die Mängel im Schulsystem ausgleichen und alle Jugendlichen in eine Ausbildung übernehmen, welche nicht die Voraussetzungen für eine weiterführende Schulausbildung bringen, ist vollständig abzulehnen."

Finanzministerium sieht grundsätzliche Probleme

Das Finanzministerium hat ebenfalls ganz grundsätzliche Probleme mit dem Entwurf: "Die Schaffung einer parallelen Ausbildungsschiene zusätzlich zu den Verantwortungen des verfassungsrechtlich vorgesehenen Bildungssystems ist aus Sicht des Bundesministeriums für Finanzen aus grundsätzlichen Überlegungen abzulehnen." Die Schule müsse einerseits dafür Sorge tragen, dass nach Ende der Schulpflicht eine weiterführende (Aus-)Bildung erfolgen kann, und andererseits Maßnahmen setzen, die es Jugendlichen ermöglichen bzw. erleichtern, die Ausbildungspflicht durch einen weiterführenden Schulbesuch oder eine Berufsausbildung zu erfüllen.

Stattdessen werde mit dem Entwurf aber die Verantwortung auf das Arbeitsmarktservice bzw. die Sozialbehörden verlagert. Und: "Maßnahmen wären im Bereich des Bundesministeriums für Bildung und Frauen zur Sicherstellung eines ausreichenden Qualitätsniveaus mit Ende der Schulpflicht zu setzen." (APA, 8.3.2016)