Das Ergebnis der Parlamentswahlen in der Slowakei bedeutet eine doppelte Niederlage für Ministerpräsident Robert Fico samt seiner Partei und (wieder einmal) für die Meinungsforscher. Darüber hinaus übersahen viele ausländische Beobachter die langfristigen Folgen seiner überraschenden Niederlage bei der Präsidentenwahl 2014, in der Fico 40 zu 60 Prozent dem vorher gänzlich unbekannten parteiunabhängigen Unternehmer Andrej Kiska unterlag.

Als ich ihn Ende Mai 2015 zu einem langen Hintergrundgespräch in Bratislava traf, konnte der Ministerpräsident nicht überzeugend erklären, warum er aus der starken Position des Regierungschefs in das vergleichsweise mit schwachen Kompetenzen ausgestattete Präsidialamt wechseln wollte. Seine Gegner sagten mir damals, dass der gewiefte Jurist und mit allen Wassern gewaschene Taktiker einer möglichen Niederlage bei der nächsten Parlamentswahl vorbeugen beziehungsweise sozusagen aus dem Hinterhof zur Stabilisierung der Machtposition seiner Partei beitragen wollte.

Im Spiegel der für die politische Stabilität der Slowakei bedenklichen Zersplitterung der Parteienlandschaft hat er damals geradezu prophetisch die beängstigende Wirkung der modernen Kommunikationsmittel und der sozialen Medien und die damit verbundenen möglichen Erfolge von politischen "Niemanden" betont. Selbstbewusst, ja stolz, erzählte der heute 51 Jahre alte Politiker von seinen Erfolgen, seitdem er 27-jährig ins Parlament gekommen war und 1999 die linke Partei Smer (auf Deutsch "Richtung") gegründet hatte. Ministerpräsident von 2006 bis 2010 sowie von 2012 bis heute, gilt Fico als der erfolgreichste Politiker in der turbulenten Geschichte der unabhängigen Slowakei.

Die wirtschaftlichen Erfolge des zur Eurozone gehörenden kleinen Landes sind unbestritten. Doch zeigt gerade das Beispiel Polens, wie schnell handwerkliche politische Fehler einer Regierung die sozialen Schattenseiten der liberalen Wirtschaftspolitik ermöglichen und Korruptionsskandale die Vertrauensbasis bei den Wählern untergraben können. Darüber hinaus darf man auch die Rolle der Persönlichkeit nicht unterschätzen. In der Flüchtlingskrise hat Fico bei den populistischen, ausländer- und moslemfeindlichen Aussagen, trotz sozialdemokratischen Etiketts, zuletzt sogar Viktor Orbán überholt.

Allerdings hat er schon bei unserem Gespräch, und im krassen Gegensatz zu seiner Haltung bei einer früheren Begegnung, dem ungarischen Ministerpräsidenten uneingeschränkte Anerkennung wegen seiner "paktfähigen und vorwärts blickenden Nachbarschaftspolitik" gezollt. Ähnlich lobte Orbán vor einigen Tagen die "korrekten und geordneten Beziehungen" zur Slowakei. Trotz des Gleichklangs in der Flüchtlingskrise ist aber Fico weder bei der persönlichen Machtfülle des Amtes noch bei der Praxis des Herrschens und Führens einer Regierungspartei in der machtpolitischen Kategorie eines Orbán. Zur Herrschaft gelangt nur, wer erfolgreich geführt hat. Die funktionierende parlamentarische Demokratie begrenzt die Herrschaftsfreiheit. Deshalb sind trotz des Vormarschs der Rechtsradikalen die Aussichten in der Slowakei möglicherweise weniger düster als in Ungarn. (Paul Lendvai, 7.3.2016)