Ich möchte niemanden beschuldigen, heroisieren oder kritisieren. Aber dies sind die Fakten: Syrer, Afghanen, Iraker, Iraner, Westsaharer und Marokkaner, Algerier sind während der vergangenen Jahre geflohen und werden auch weiterhin unter für uns unvorstellbaren Bedingungen fliehen. Die Mehrheit von ihnen hat ihre Lieben, Freunde, Bekannten, Häuser, familiäre Einbindung und vor allem jede Form von humaner und sozial akzeptabler Lebensweise verloren. Das Einzige, das mich, uns Helfer und die meisten Menschen unter diesen Flüchtlingen unterscheidet, ist ein bloßer Reisepass.

Die Hilfe, die wir Flüchtlingen angedeihen lassen, ist in keiner Weise außergewöhnlich oder verdienstvoll, es ist eine notwendige Reaktion auf eine Situation, in der wir uns selbst befinden könnten, und etwas, was auch wir in gleicher Weise erwarten würden. Seit Ende Dezember habe ich furchtbares Wetter erlebt und Windstärken bis zu zwölf Beaufort. Das zeigt einmal mehr den Grad der Verzweiflung, durch die Flüchtlinge unentwegt an die griechische Küste gespült werden.

In meiner Zeit hier habe ich mich um Tausende gekümmert, von denen viele mit knapper Not gerettet wurden, aber ihre Eltern, Kinder und Freunde verloren haben. Ich habe auf Leros mit einer Frau gesprochen, die ihre vier Kinder auf See verloren hat. Einige der Flüchtlinge sind bei weitem gebildeter, als ich es je sein werde. Sie wurden terrorisiert und traumatisiert bis zu einem Punkt, an dem sie gezwungen waren, alles Bekannte hinter sich zu lassen. Flucht ist eine Demonstration unglaublicher Stärke, von Mut und Opferbereitschaft.

Ohne Respekt

Das Lager in Leros ist deutlich anders als jene auf anderen Inseln wie Kos oder Lesbos. Flüchtlinge kommen zuerst auf Farmakonissi an, einer vom Militär gesperrten Insel. Sie werden dort üblicherweise von einigen Stunden bis zu mehreren Tagen angehalten – ohne Essen, Wasser, Decken und vor allem ohne jeglichen Respekt vonseiten der Verantwortlichen. Danach werden sie nach Leros gebracht und schließlich weiter zu einem Hotspot in Lepida.

Hotspots sind militärisch geführte Camps, die den Fluss der Flüchtlinge durch Griechenland eindämmen sollen. Der Hotspot auf Leros wurde ohne jeden Zweifel verfrüht eröffnet, weil grundlegende Erfordernisse für ein solches Lager noch nicht gegeben waren. Es gibt keinen Lieferanten für Essen oder Milch, keine Mistkübel, keine Müllentsorgung, keine Kleidung, keinen Transport zwischen dem Hotspot und dem Camp für Flüchtlinge, die ihre Papiere erhalten haben und den Hotspot deswegen verlassen müssen. Das bedeutet einen 45-minütigen Fußweg für die Menschen – auch für Schwangere und Kinder -, bei jedem Wetter.

Die (Hilfs-)Organisationen – das UNHCR, die Samariter, Frontex, Leros Solidarity Network, Praksis, Arsis, Save the Children, Children's e-Hospital, United Aid Solidarity, Boat Refugee Foundation, Echo100plus und andere – müssen improvisieren. Einige von uns wechseln sich ab bei der Bezahlung der Essen. Wir haben einen Babyraum aufgebaut mit eingelagerter Milch, Windeln und anderen essenziellen Gütern – mit Geld, das eigentlich die Regierung zur Verfügung stellen müsste. Wir leisten die ganze Arbeit.

Dabei war es gar nicht eindeutig für uns, ob wir überhaupt gebraucht, ja an den Hoptspots zugelassen werden würden – bis die erste Gruppe von Flüchtlingen dort hingebracht wurde. Eingeladen, um zu helfen, hat uns niemand. Deswegen haben wir auch darauf verzichtet, Freiwillige zu senden, weil es uns als möglich erschien, dass diese gar nichts zu tun haben könnten. Das Ergebnis ist, dass wir, da wir die Freiwilligen nun am meisten brauchen, zu wenig Personal haben, um effektiv zu helfen.

Nur ein Punkt

Die Arbeit, die auf Leros geleistet wurde, und die Hilfe für Flüchtlinge hätte es ohne Freiwillige nicht gegeben. Leros ist nur ein Punkt auf einer langen Reise, und dankenswerterweise hat sich die Freiwilligengemeinschaft entlang dieser Route aufgestellt. Warum wir uns akkurat zu diesem Hotspot begeben und improvisieren mussten, anstatt unser voll funktionsfähiges Camp in Lakki verwenden zu können, bis der Hotspot ganz errichtet war, verstehe ich nicht. Was aus dem alten Camp wird, ob und wann es abgebaut wird, ist unklar. Bis dahin sind wir gezwungen, zwei Lager zu betreiben, Freiwillige für zwei Camps zu suchen, die Finanzierung für zwei Unterkünfte aufzustellen.

Dies ist klarerweise ein Aufruf an die Verantwortlichen, diese Probleme zu lösen. Dies ist auch ein Aufruf an Freunde, Bekannte und Fremde, in dieser verzweifelten Situation zu helfen. Wir brauchen nicht nur Manpower, wir brauchen auch Geld, um die ankommenden Flüchtlinge auf Leros zu unterstützen. (Daria Dixon, 7.3.2016)