Eines der hartnäckigsten Missverständnisse im gegenwärtigen politischen Diskurs ist die Annahme, dass der Erfolg rechtspopulistischer Parteien und Politiker im Kern ökonomische Ursachen habe. Alle Ablehnung von Zuwanderung und Multikulturalismus sei demnach wachsender Ungleichheit, Lohnstagnation, Sozialabbau oder der jüngsten Wirtschaftskrise geschuldet. Beispiele für diese Argumentation finden sich hier, hier oder hier.

Die empirische Evidenz für diese These ist allerdings mau.

Nehmen wir den österreichischen Fall als Beispiel. Basierend auf AUTNES-Umfragedaten zeigt die Abbildung die Stärke des Zusammenhangs zwischen FPÖ-Präferenz und einer Reihe anderer Merkmale – allesamt gängige Variablen in der Wahlforschung.

Parteichef Heinz-Christian Strache feiert mit Manfred Haimbuchner den Stimmenzuwachs in Oberösterreich.
Foto: Standard/Fischer

Ich verwende die Maßzahl Cramérs V, um die Stärke des Zusammenhanges zwischen zwei Merkmalen auszudrücken. Ein simples Beispiel zum Verständnis: Wenn alle Männer Partei A wählen und alle Frauen Partei B, dann ist Cramérs V gleich 1 – es liegt ein perfekter Zusammenhang zwischen Geschlecht und Parteipräferenz vor. Wenn Frauen und Männer beide Parteien zu gleichen Teilen wählen, dann ist Cramérs V gleich 0 – es besteht in diesem Fall kein Zusammenhang zwischen Geschlecht und Parteipräferenz. Natürlich gibt es in der Praxis selten perfekte Zusammenhänge – die meisten Werte liegen irgendwo zwischen 0 und 1.

Am stärksten hängt FPÖ-Präferenz mit der Einstellung zu Muslimen, Zuwanderung, Asyl und Europa zusammen. Auch das formale Bildungsniveau ist wichtig. Erst danach folgt die Einstellung zur Rolle des Staates in der Wirtschaft als wichtigstes ökonomisches Merkmal (hier sind FPÖ-Wähler übrigens im Schnitt deutlich wirtschaftsliberaler eingestellt als alle anderen). Nur einen schwachen Einfluss hat die Einkommenssituation, noch weniger die Einstellung zu Themen wie Arbeitslosigkeit oder Einkommensungleichheit.

Auch wenn wir von der Individual- auf die Aggregatebene wechseln, gibt es keinen starken Zusammenhang zwischen ökonomischen Faktoren und FPÖ-Erfolgen. Die zweite Grafik zeigt die FPÖ-Stimmenanteile bei der Nationalratswahl 2013 auf Bezirksebene in Abhängigkeit von der regionalen Arbeitslosigkeit (einige Datenpunkte fehlen, weil die AMS-Bezirke nicht immer ident mit den politischen Bezirken sind). Der Zusammenhang ist praktisch null.

Grafik: Laurenz Ennser-Jedenastik

Wer also den Erfolg von rechtspopulistischen Parteien und Politikern verstehen will, muss zur Kenntnis nehmen: Identität schlägt Ökonomie. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 8.3.2016)