Sebastian Kurz bei "Anne Will".

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25 Menschen ertranken am Wochenende wieder bei dem Versuch, nach Europa zu kommen. Zehn von ihnen waren Kinder. Sie kommen nicht mehr zu uns.

Sonntagabend wurde dann wieder über Flüchtlinge diskutiert. Diesmal war Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) bei Anne Wills ARD-Talkshow zu Gast. Man mag von seinen Positionen inhaltlich halten, was man will: Formal machte er dabei keine schlechte Figur. Das mag auch an mehreren für den Politiker glücklichen Fügungen liegen.

Der einsame Klatscher

Erstens bekam der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) gleich in den ersten Minuten einen Dämpfer. Will bemerkte nach wiederholtem empathischem, aber einsamem Klatschen im Saal nach Wortspenden von Maas: "Begrüßen wir auch mal den Sprecher von Herrn Maas, der hier immer am lautesten klatscht." Das saß. Zweitens war der Ex-EU-Parlamentarier Johannes Voggenhuber nicht dabei. Der las derweil im ORF bei Ingrid Thurnher dem Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) die Leviten – und dem abwesenden Außenminister gleich mit. Voggenhuber kritisierte, dass Kurz nicht gleich im Sommer zu jedem EU-Außenminister gereist war, statt nun mit den Balkanstaaten zu konspirieren. Drittens war mit dem slowakischen EU-Parlamentarier Richard Sulík von der Partei mit dem irrefürenden Namen Freiheit und Solidarität eindeutig einer in der Runde, neben dem alle anderen geradezu zum Kuscheln nett wirkten. Das einprägsamste Sulík-Zitat zum Thema, ob man Gewalt gegen Flüchtlinge anwenden sollte, war zweifelsfrei: "Man muss ja nicht gleich umbringen."

"Furchtbare Bilder"

Kurz aber wiederholte ruhig die Zahl der Flüchtlinge, die das kleine Österreich allein 2015 aufgenommen hat: 90.000. Und er bedauerte die "furchtbaren" Bilder der Flüchtlinge in Idomeni. Bilder, die es aber brauche. Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, erinnerte dankenswerterweise daran, dass es sich nicht um Bilder, sondern die reale Situation von Menschen handle. Und Katja Kipping (Die Linke) nannte als "wahre Gefahr für Europa" nicht Flüchtlinge, sondern Rechtspopulisten und "demokratische Politiker, die sich von Rechtspopulisten treiben lassen".

Dann war da noch die Sache mit der Beschlussvorlage vom EU-Gipfel am Montag. Deutschland werde doch ohnehin zustimmen, dass die Balkanroute geschlossen bleibt, plauderte Kurz scheinbar aus dem Nähkästchen und brachte Maas gleich in die nächste unangenehme Situation. Denn der Justizminister hatte das offenbar nicht gewusst. Ein Punkt für Kurz. Doch am nächsten Tag stellte sich allerdings heraus: Merkel wusste davon auch nichts. Sie will die Balkanroute nicht schließen. (Colette M. Schmidt, 7. 3. 2016)