Wien – Nicht nur in Österreich, auch international hat das Ableben von Nikolaus Harnoncourt ein großes Echo und tiefe Bestürzung hervorgerufen. Nachfolgend eine Auswahl internationaler Pressestimmen zum Tod des Künstlers.

Deutschland

"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Nikolaus Harnoncourt (...) war einer der erstaunlichsten Dirigenten, Musikforscher und Musikschriftsteller der Gegenwart, dessen bevorzugtes Interessensgebiet allerdings die musikalische Vergangenheit war. (...) Wie vital, differenziert, dramatisch und klangfarbenreich die polyphone Musik des Mittelalters und der Renaissance klingen kann und uns damit ebenso zu rühren vermag wie ein Schubert-Lied, hat im Grunde so frappierend erst Nikolaus Harnoncourt mit seinem Concentus Musicus demonstriert, zu dem auch seine Geige spielende Frau Alice gehörte."

"Süddeutsche Zeitung": "Kaum jemand erschütterte die Klassik so wie er. (...) Seine Aufführungen sprangen die Zuhörer geradezu an, zwangen ihnen die Bedeutung jeder Note fast physisch auf. Sein Ansatz fand begeisterte Anhänger unter den Skeptikern eines kulinarischen Mainstreams, verschreckte aber all jene, die genau diesen erwarteten. Harnoncourt dirigierte mit der Unbedingtheit eines Propheten, und sein Mozart war nicht betörend und elysisch, sondern ein kraftvoll zupackender Revolutionär, der jede Geste als Kampfansage in den Raum stellte."

Schweiz

"Neue Zürcher Zeitung": "Fast ein Leben lang ist er bekämpft worden. Erst als er im höheren Alter stand, ließen ihn Orchester wie die Wiener Philharmoniker ans Pult und öffneten ihm Zuhörer ihr Ohr, die seiner Kunst lange mit Skepsis begegnet waren. (...) Als Dirigent hat Harnoncourt die Kunst der musikalischen Interpretation wie nur wenige Vertreter seines Fachs geprägt. Damit steht er Seite an Seite mit Größen wie Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan. (...) Unglaublich reich ist dieses Wirken in seinem romantischen Anspruch auf Individualität der interpretatorischen Aussage und seiner avantgardistisch wirkenden Radikalität gegenüber dem musikalischen Text. Seither ist in der Interpretation von Musik nichts mehr so, wie es ehedem war."

Italien

"La Repubblica": "Der Vater der barocken Renaissance hat uns verlassen. Harnoncourt war wahrscheinlich der letzte Aristokrat der Musikinterpretation. Aristokrat, nicht nur weil er aus einer hochkarätigen Adelsfamilie stammte, sondern wegen seines perfektionistischen Forschergeists. Harnoncourt war ein Fanatiker des Details, ein Meister der philologischen Forschung."

"Il Messaggero": "Die Welt trauert um den Giganten der Musik Harnoncourt. Sein Werk wird unvergesslich bleiben, unter anderem sein titanisches Projekt, Bachs Kantatenwerk komplett aufzunehmen. Seine revolutionäre Weise, das barocke und klassische Repertoire mit Originalinstrumenten anzugehen und die Resultate seiner eigenen Forschungen im Bereich Musikphilologie sind einmalig".

Frankreich

"Le Monde": "Die Ära von Nikolaus Harnoncourt wird in der Interpretationsgeschichte ein Davor und ein Danach hinterlassen. Der österreichische Musiker hat als ein kraftvoller Vordenker gewirkt, der grundlegend das Hörverhalten einer ganzen Generation (und dadurch auch der folgenden) erneuert hat, indem er die dialektischen Zusammenhänge zwischen Partituren und ihrer Geschichte hinterfragt hat – nicht ohne dabei Polemiken und Kontroversen hervorzurufen."

Großbritannien

"The Guardian": "Nikolaus Harnoncourt, der im Alter von 86 verstorben ist, war einer der innovativsten und einflussreichsten Dirigenten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der das Wissen um und die Sensibilität für die historische Aufführungspraxis in den Mainstream brachte, mit manchmal kontroversiellen, stets aber erleuchtenden Resultaten."

USA

"New York Times": "Nikolaus Harnoncourt, wegbereitender und einflussreicher Spezialist für Alte Musik und respektierter Dirigent, starb am Samstag (...). Man mag ihn Spezialist nennen oder nicht, um nicht seine vielfältigen anderen Aktivitäten zu unterschlagen, aber er untersuchte, spielte und nahm alte Musik enzyklopädisch auf." (APA, 7.3.2016)