Wien – Christian Leidinger entsinnt sich noch gut der Zeiten, in denen er belächelt wurde – weil er plötzlich nicht mehr wie hunderte andere Tischler in Vorarlberg Böden verlegen, Küchen montieren und den ganzen Gemüsegarten an Holzprodukten anbot. "Ich wollte Betten bauen, nur Betten, und sonst gar nichts." Sie sollten aus astfreier Zirbe sein, keine Nägel und Schrauben aufweisen, einfach zusammensteckbar sein und weder Almhüttenflair versprühen noch an Bauernmöbel erinnern.

Leidinger, der nach dem frühen Tod seines Vaters, der infolge des Tsunamis in Südostasien ums Leben kam, den Bludenzer Familienbetrieb übernehmen musste, erntete Unverständnis. "Zu jammern, dass keiner was für die Handwerker tut", war jedoch nichts für ihn. Der damals 25-Jährige entwickelte ein eigenes Steckpatent, holte sich Hilfe bei einer Marketingexpertin und zog seine Pläne durch.

Internet als Sprungbrett

Heute, zehn Jahre später, verkauft der Vorarlberger seine Zirbenholzbetten weit über Österreich hinaus bis nach Hamburg und in die Niederlande. Jüngst kamen Anfragen aus Dubai. Leidinger beschäftigt 16 Mitarbeiter, führt zwei eigene Shops in Dornbirn und Wien, weitere in München und Zürich sind geplant. Kooperiert wird mit Designern und Modebloggern. "Es würde uns ohne Internet so nicht geben", räumt Leidinger offen ein. Große Werbekampagnen kann er sich nicht leisten, also versucht er, Preise zu gewinnen – und das gelingt. Seine Tischlerei zählt mittlerweile zu den Shootingstars der kreativen Szene in Österreich.

40.000 Betriebe

Diese sieht in ihren Reihen fast 40.000 Betriebe mit in Summe gut 144.000 Beschäftigten. Jüngste erhobene Bilanzen aus dem Jahr 2013 weisen einen im Jahresvergleich um vier Prozent gestiegenen Umsatz auf 21 Milliarden Euro aus und eine um acht Prozent höhere Bruttowertschöpfung von 8,6 Milliarden. Das sei mehr, als der Tourismus oder die chemische Industrie hierzulande erzielen, rechnet Gerin Trautenberger, Vorsitzender der Kreativwirtschaft Austria, vor.

40 Prozent der Branche, die Designer, Architekten und Fotografen ebenso vereint wie Filmemacher, Medienexperten, Werbeleute, Software- und Spieleentwickler, seien international aktiv. Der Export sorge für 15 Prozent ihrer Umsätze. Schwachstelle: 60 Prozent der Kreativen sind Einzelkämpfer. Und auch wenn ihre Performance über dem Zuwachs der Gesamtwirtschaft liegt – unterm Strich ist ihr Anteil an der gesamten Wirtschaftsleistung gering.

Neue Spielregeln

Kreative leben von Kooperationen, sagt Trautenberger. Er sieht dafür jedoch nur wenig Rechtssicherheit: Denn die Krankenkasse deute branchenübergreifende Geschäftsbeziehungen oft anders, was zu Abgabennachforderungen und arbeitsrechtlichen Ansprüchen führe. "Es muss längere Zusammenarbeit möglich sein, ohne dass gleich rechtliche Konflikte drohen. Wir brauchen hier einen rechtssicheren Raum."

Spielregeln, die heute für Kreative geschaffen werden, seien in 20, 30 Jahren für den Großteil des Arbeitsmarkts gültig, ist Rasmus Wiinstedt Tscherning, Direktor des Creative Business Cup, überzeugt. Der Däne sieht traditionelle Jobstrukturen aufbrechen, hin zu mehr selbstständiger Arbeit in Netzwerken. Er appelliert an Kreative, nicht nur den direkten Weg zum Konsumenten zu suchen, sondern vielmehr an große Unternehmen anzudocken: Hier öffneten sich künftig abseits von Bankkrediten und Risikokapital Türen zu frischem Geld.

Tischler Leidinger vertraut mit seiner Marke Die Koje weiterhin lieber auf sich selbst. Auf den Vertrieb über große Handelskonzerne lässt er sich nicht ein. "Da spielt auch viel Stolz mit herein. Wir wollen uns von keinem abhängig machen." Was er Handwerkskollegen rät: "Sich spezialisieren und über den Tellerrand schauen." (Verena Kainrath, 7.3.2016)