Volksvertreter drinnen, Hostessen draußen. Unter den nach außen so uniform Erscheinenden im sozialistischen Parlament sitzt eine besondere Spezies:. Noch nie tummelten sich so viele Milliardäre unter den Volksvertretern.

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Bei der Eröffnung der Jahressitzung des chinesischen Parlaments fielen nur die Vertreter der 55 chinesischen Minderheiten dank ihre farbenprächtigen Trachten auf. Alle übrigen Abgeordneten gingen in der Masse von fast 3000 Delegierten des Volkskongress (NPC) und der 2300 Mitglieder des Beraterparlament (CPPCC) unter. Gemeinsam hörten die 5000 Abgeordneten dem zwei Stunden lang verlesenen Regierungsbericht von Premier Li Keqiang zu. Sie saßen in ihrer Armeekleidung oder mit zivilen Anzügen und Krawatte nebeneinander in der Pekinger Großen Halle des Volkes. Wer ihre Gesichter erkannte, wusste, wen er vor sich hatte: Chinas wichtigste Entscheidungsträger, hohe Generäle, mächtige Provinzgouverneure oder Minister.

Unter den nach außen so uniform Erscheinenden im sozialistischen Parlament sitzt aber noch eine besondere Spezies, die man dort nicht vermutet. Noch nie tummelten sich so viele Milliardäre unter den Volksvertretern. 117 Volkskongressabgeordnete sind im Hauptberuf schwerreiche Unternehmer, Konzernchefs oder Internetbetreiber. Weitere 101 Superreiche sitzen im Beraterparlament.

2188 Dollar-Milliardäre

Rupert Hoogewerf, Herausgeber der jährlich in Shanghai erscheinenden Hurun-Reichenlisten, hat sie nun auf seiner 2016 erschienen Weltliste zum Ranking von 2188 Dollar- Milliardären und einer weiteren Liste von 1877 chinesischen Superreichen erkannt. Am Samstag veröffentlichte er eine neue Ranking-Liste mit 218 der "reichsten Politiker Chinas 2016", die in beiden Kammern des Parlaments sitzen. Mitglieder dieses exklusiven Klubs können nur Abgeordnete werden, die mindestens Firmen-, Aktien- oder Immobilienvermögen im Wert von mehr als zwei Milliarden Yuan (300 Millionen Euro) besitzen.

Ein Jahre zuvor hatte der Brite 203 Abgeordnete im Volkskongress und im Beraterparlament als Milliardäre gezählt, darunter 106 superreiche Abgeordnete im NPC (3,6 Prozent aller Delegierten) und 97 im CPPCC (4,3 Prozent). Nun stieg der Anteil auf 3,9 und 4,5 Prozent.

Vermögen im Schnitt um 20 Prozent vermehrt

Der Grund sind nicht Neuwahlen oder Nachbesetzungen. Viele andere Unternehmer in den beiden Parlamenten rückten 2005 mit erfolgreichen Geschäften oder Börsengängen in die Elite der Krösusse auf, ungeachtet des schwächelnden Wirtschaftswachstums, der Aktienturbulenzen, oder der Anti-Korruptionskampagnen, die sie nicht tangierten.

Insgesamt vermehrten die 117 Superreichen im Volkskongress 2015 ihr Vermögen im Durchschnitt um 20 Prozent, die 101 im Beraterparlament um zehn Prozent. Chinas Wirtschaftswachstum stieg dagegen nur um 6,9 Prozent. Alle heutigen 1877 Yuan-Milliardäre, die Hurun erfasst hat, seien mit ihren Privatunternehmen und Aktiengesellschaften so erfolgreich und innovativ, dass sie 1,3 Prozent aller Arbeitskräfte des Landes beschäftigen und vier Prozent aller Steuereinnahmen zahlen. Hoogewerf sagte "Da passt es ins Bild, wenn sie auch in den beiden Parlamenten sitzen."

Partei umarmt neuen Geldadel

Die meisten darunter dürften sogar Mitglieder der Kommunistischen Partei sein, wie etwa der Wahaha-Getränkegigant Zong Qinghou aus Hangzhou. Das Vermögen des 71-Jährigen, der in dritter Legislaturperiode dem Volkskongress angehört, addiert sich heute auf 125 Milliarden Yuan (17 Milliarden Euro). Auf eine Milliarde Yuan weniger und auf Platz 2 unter den NPC-Abgeordneten kommt der 45 Jahre alte Chef des Internet-Portals "Tencent", Ma Huateng.

Ihm folgt der als Apple-Herausforderer international bekannt gewordene Xiaomi-Handyhersteller Lei Jun mit 92 Milliarden Yuan Vermögen. Zu den Milliardären im Beraterparlament gehört mit umgerechnet rund 23 Milliarden Euro Vermögen der Sohn Victor Li des Hongkonger Magnaten und Immobilienhändler Li Ka-Hsing. Er kommt auf Platz 1. Ihm folgt ein weiterer Hongkonger, Peter Lee von Henderson Land Development. Der 48 Jahre alte Robin Li von Chinas googleähnlichen Online-Suchsystem "Baidu" kommt auf Platz 3 .

Seit 2001 umarmt die Partei pragmatisch den neuen Geldadel Chinas, solange er patriotisch gesinnt ist, seine Steuern zahlt und den Aufbau des Landes unterstützt. Nirgendwo werden Unternehmer so schnell zu Milliardären wie in China fand Hoogewerf heraus.

Nirgendwo machen sie solche märchenhafte Karrieren, wie die des reichsten Chinesen und Immobilienunternehmer Wang Jianlin, der seine Wanda-Gruppe zum größten Unterhaltungskonzern der Welt umwandelte, oder des Online-Händler Jack Ma, der mit seinem Alibaba-Konzern nun auch ins Medienbusiness einsteigt.

Peking entthront New York

Inzwischen wohnen in Peking 100 chinesische Dollar-Milliardäre. Die Hauptstadt entthronte New York, wo 95 Superreiche wohnen. Auf der globalen Hoogewerf-Reichenliste sind unter den 2188 Dollar-Milliardären in 68 Ländern auf der ganzen Welt bereits 568 Chinesen. (Johnny Erling aus Peking, 6.3.2016)