Nach außen gibt sich die Koalition geeint, schließlich greift "uns" die EU an, verstärkt durch Deutschland, Griechenland und sogar UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. In Einklang mit weiten Teilen der Bevölkerung verteidigen die Regierungspolitiker Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen und Grenzkontrollen. Man wird sich ja noch selbst schützen dürfen. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) spricht von "Notwehr" und erklärt Griechenland zum "Reisebüro für Flüchtlinge". Wien lädt Athen aber nicht ein zu einem Gipfeltreffen, das der Problemlösung dienen sollte.
Seit Hans Peter Doskozil zu Ministerehren aufgerückt ist, greift auch ein Sozialdemokrat bei der Selbstverteidigung Österreichs ein. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) steuert nicht nur den Kurs seiner Partei, sondern erklärt auch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Interviews, was sie zu tun hat. Zuerst schwenkte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, dann der Kanzler auf Kurz' Kurs in der Flüchtlingspolitik ein. Seither kämpft die Regierung gemeinsam, verbunden mit dem Boulevard: gegen den Rest der Welt, schuld sind die anderen. "Jetzt fallen alle über uns her", titelte die Kronen Zeitung: Österreich darf sich als Opfer fühlen – wieder einmal.
Es ist genau dreißig Jahre her, dass der damalige Präsidentschaftskandidat Kurt Waldheim mit seiner Vergangenheit konfrontiert und trotzdem zum Bundespräsidenten gewählt wurde. Im Jahr 2000 waren es dann Wolfgang Schüssel und Jörg Haider, die im eigenen Land erfolgreich darstellen konnten, dass die erfolgten Maßnahmen der anderen EU-Staaten aus Protest gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ als Sanktionen gegen Österreich und seine Bürgerinnen und Bürger wahrgenommen wurden. In beiden Fällen festigten die Angriffe aus dem Ausland die Position der Angegriffenen im Inland.
Heute dient der Protest aus dem Ausland als Kitt für die Koalition in Wien und als willkommener Anlass, um außerhalb der eigenen Grenzen Handlungsstärke zu demonstrieren.
Im eigenen Land ist das nicht der Fall. Der seit einem Jahr vorbereitete Pensionsgipfel brachte ein Reförmchen. Die SPÖ setzt auf Beruhigung und ihr Mantra: Pensionen sind sicher.
Der neue Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) wehrte Kürzungen ab, wohl wissend, dass Änderungen bei der größten Wählerklientel, den Pensionisten, nicht gut ankommen. Dass Staatsausgaben für Pensionen im Vergleich zu anderen Ländern explodieren, reicht nicht als Handlungsauftrag. Die jetzt Regierenden sind ohnehin nicht mehr im Amt, wenn die Auswirkungen des Abwartens für Jahrgänge ab 1970 wirksam werden. Auch der Arbeitsmarktgipfel im Herbst brachte keinen wirklichen Durchbruch.
Bereits im November erarbeiteten Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) ein gemeinsames Papier, das aber so viel Interpretationsspielraum ließ, dass die Bildungspolitiker heute da sind, wo sie vor fünf Jahren waren. Die ÖVP sichert den Einfluss der Länder, die SPÖ will die Macht des Ministeriums ausbauen. So bleibt alles beim Alten.
Dabei hat der Vizekanzler im Oktober erklärt, die Regierung müsse die "nächsten Monate deutlich beweisen, dass wir regieren wollen und können" , sonst "hat es keinen Sinn, auf Dauer weiterzuwurschteln". Genau das tun sie weiterhin. (Alexandra Föderl-Schmid, 4.3.2016)