Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer ist auf der eigenen Wahlkampftour nur Supporting Act von Heinz-Christian Strache.

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Graz – Im Innenhof des Landhauses in der Grazer Herrengasse hat sich Ruhe ausgebreitet. Es ist Donnerstag, später Nachmittag, und der Arkadenhof scheint verlassen. Doch im Laubengang im zweiten Stock hat sich ein Pulk aufgeregter Männern vor einer Tür versammelt. Sie halten Kameras und Smartphones in die Höhe. Ein Mann steht etwas abseits und lässt das Ganze lächelnd über sich ergehen: Heinz-Christian Strache ist zu Gast bei seinen steirischen Parteifreunden.

War da noch jemand? Der eigentliche Hauptdarsteller der Wahlkampftour, FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer, sitzt während des Remmidemmis vor der Tür drinnen im blauen Landtagsklub und wartet still auf dem Podium. Hinter dem Tisch, an dem bald auch Strache, der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek und der Grazer Stadtrat Mario Eustacchio Platz nehmen werden, prangt Hofers Gesicht auf einem Plakat. "Flagge zeigen", steht darauf. Die übrigen Tische füllen sich mit Journalisten. Hofer sitzt weiter ruhig da und lächelt schweigend.

"Protest auf der Straße"

Dann nehmen die Parteifreunde bei ihm Platz. Er sei stolz darauf, beginnt Kunasek die Begrüßung der Medien, "unseren Bundesparteiobmann zu begrüßen". Kunasek versucht nicht einmal, die Kundgebung, die etwas später der Höhepunkt des kurzen Besuchs Hofers in Graz sein wird, als Wahlkampfauftritt zu verkaufen. Man habe leider "im Landtag keine Mehrheiten für unsere Anträge gegen das Asylchaos" gefunden, also müsse man "den Protest auf die Straße" tragen.

Hofer trägt als einziger der vier Männer auf dem Podium Krawatte, sitzt links außen und wartet wieder geduldig, bis auch Hauptredner Strache fertig ist. Der spricht mehr als 20 Minuten lang über das "staatliche Schlepperwesen" der Regierung, dann bekommen vor allem Kanzler Werner Faymann (SPÖ), dessen "kommunistischer Freund Tschipras" (Alexis Tsipras) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ihr Fett ab. Dass Kurz etwa gesagt hat, der Islam sei ein Teil Österreichs, kreidet Strache ihm an. Mehr als 600.000 Menschen seien schon rechtswidrig über die Grenze gekommen. Bei Hofer werden es Minuten später bereits 800.000 sein. Straches Fazit: Österreich sei ein Boot, das nicht nur voll ist: "In Wahrheit geht das Boot unter."

Bereit, ins Ruder zu greifen

Dann endlich darf Hofer übernehmen. Seine Kritik an der Regierung fällt weniger deftig aus: Es sei "nicht die beste Regierung", formuliert er ironisch. Die Arbeitslosenzahl, die Schulden und die Steuern in Österreich seien so hoch wie nie, nimmt er das düstere Bild Straches auf. Aber: "Ich bin ja Optimist", sagt Hofer mit einem kurzen Lächeln. Jede Zeit habe ihren Bundespräsidenten, auch Kirchschläger sei für die seine der richtige gewesen. Jetzt aber brauche Österreich "einen Präsidenten, der bereit ist, ins Ruder zu greifen".

Er werde die Regierung als Präsident zu sich bitten, "dann noch einmal, und wenn es dann nicht gelingt, dann ist es Ultima Ratio, die Regierung zu entlassen". Auf Nachfrage stellt er fest, er würde "jede Regierung, die Österreich so an die Wand fährt, entlassen". Ob das auch für eine von Strache geführte Regierung gelte? Da lacht Hofer: "Dem wird das viel besser gelingen."

Wein zum Geburtstag

Nach der Pressekonferenz überreicht Kunasek Hofer ein "gutes Tröpferl", habe der doch am Tag zuvor seinen 45. Geburtstag gefeiert. Die Flasche steckt in einer Holzschachtel, die mit Bundesadler, rot-weiß-roter und grün-weißer Schleife verziert ist. Hofer nickt höflich.

Dann ist wieder das große Warten angesagt. Strache gibt Fernsehteams lange, inbrünstige Interviews, danach ist Hofer dran. Er lehnt fast elegant auf seinen Stock gestützt, während er ruhig Fragen beantwortet.

"Highway to Hell" im Nieselregen

Auf dem Grazer Hauptplatz wärmt derweil die John-Otti-Band das Publikum auf. Trotz Nieselregens haben sich hunderte FPÖ-Fans im abgesperrten Bereich vor der Bühne versammelt. Österreichische und steirische Fahnen werden geschwenkt. Gerhard Lecker von der Polizei spricht vor Ort von etwa 500 Anhängern, später ist in einer Polizeiaussendung von 800 die Rede.

Auf mit Farbe übersättigten Monitoren werden unter anderen Kunasek und Hofer mit fast oranger Gesichtsfarbe eingeblendet. John Otti spult sein übliches Programm herunter, vom leicht anzüglichen Volkslied "Der steirische Brauch" bis zu "Highway to Hell". Um die Absperrung stehen hunderte Polizisten, 200 bis 400 Gegendemonstranten und "Laufkundschaft", die, auf die Straßenbahn wartend, kurz mithört.

Die Satiretruppe Die Partei hält Schilder hoch, auf denen "Bier trinkt das Volk" und "Wer Moslem ist, entscheiden wir" steht. Gegendemonstranten, die vorab ohne Zwischenfälle unter dem Motto "Friedliches Gegenstatement zur rechten Hetze gegen Menschen mit Migrationshintergrund" von der Uni zum Tummelplatz marschiert sind, finden sich ebenfalls ein.

Als Mario Eustacchio zu sprechen beginnt, beginnen auch das Pfeifkonzert und die Buhrufe derer außerhalb der Absperrung. Er und Kunasek wiederholen ihre Themen vom Pressegespräch. Kunasek bemängelt, dass 8.000 Volksschüler in Graz nicht Deutsch als Muttersprache hätten, um Minuten später zu rufen: "Aber Deutschkurse ab dem ersten Tag, da sagen wir: Nein, danke! Das brauchen wir nicht!"

"Ich bin ein bisschen enttäuscht"

John Otti sagt dann Hofer an und ruft "Wir sind alle eine große Familie!". Vonseiten der großteils jungen FPÖ-Gegner tönt es: "Siamo tutti antifascisti!" Hofer erklimmt mit einem grauen Wollschal um den Hals die Bühne und begrüßt seine "lieben Freunde". Er sei so glücklich, in Graz zu sein; alle seine Vorfahren seien Steirer, er selbst sei hier geboren worden, sagt der Burgenländer und zitiert dann einen US-Amerikaner mit irischem Migrationshintergrund: "Ich sag' es mit Kennedy: Ich bin ein Steirer."

Jubel bei den Fans. Zu den Buhrufern gedreht meint Hofer: "Sie waren auch schon einmal lauter, ich bin ein bisschen enttäuscht." Tatsächlich wird das Pfeifkonzert erst beim letzten Redner wieder richtig laut – bei Strache. Der wird später Spielfeld mit Spielberg verwechseln, seine Fans scheint das nicht zu stören.

Hofer kann aber auch anders. Als er Andreas Khol dafür verurteilt, dass dieser vor muslimischen Jugendlichen gesagt habe "Ihr seid unsere Zukunft", skandieren die Gegner "Hetzer, Hetzer!" und kurz darauf "Heimat im Herzen, Scheiße im Hirn". Hofer bewahrt stets die Contenance. Bleibt per Sie mit den Demonstranten, als er sagt: "Beruhigen Sie sich doch, Sie bekommen noch Halsschmerzen."

Die Großmutter der Frau

Anders als seine Vorredner spricht Hofer auch Themen abseits der Flüchtlinge an: Die Großmutter seiner Frau etwa, "die noch mit den Händen ihren Keller ausgeschaufelt hat", verstehe nicht, warum sie so wenig Pension bekomme. Frauen, die "Verantwortung für ein Kind übernehmen", sollten mehr, nicht weniger Pension bekommen. Außerdem stehle die Regierung Menschen mit Behinderung Geld.

Als er schließlich gegen das Recht von Homosexuellen wettert, Kinder zu adoptieren, zeigt er klar, wo er steht. Wie ein Mantra wiederholt Hofer mit fester Stimme immer wieder: "Wenn ich Bundespräsident werde, und ich werde Bundespräsident …" Einmal nur überschlägt sich die Stimme fast, als er laut sagt: "Herr Faymann, Sie sind unser bester Wahlhelfer." – "Faymann raus!", skandieren daraufhin die FPÖ-Fans. "Nein, nein", fällt ihnen Hofer ins Wort, Faymann helfe ihm ja!

Einklatscher John Otti soll jetzt die Menge auf Strache vorbereiten. Vorher fasst er den Auftritt Hofers noch zusammen: "Anfoch a liaba Mensch." (Colette M. Schmidt, 4.3.2016)