Eines der seltsameren Gerichte, die ich bisher gekocht und gegessen habe, war mit Schwein gefüllter Kalmar in Schokoladensauce. Die ungewöhnliche Mischung ist mir erstmals untergekommen, als ich Colman Andrews' wunderbares "Catalan Cuisine" las, und ist umgehend hängengeblieben. Andrews bezeichnet es als "genauso köstlich wie traditionell katalanisch": Es setzt auf die ausgeprägte Mischung aus süß und salzig, die in Barcelona und Umgebung so beliebt ist als Erbe aus jener Zeit, als Araber hier das Sagen hatten; es mischt Meeresfrüchte und Landtiere, ein Genre, das hier als "Mar i Muntanya", Meer und Berg, bekannt und beliebt ist; und es wird mit zwei der katalanischen Grundsaucen gekocht, dem Sofregit, einer Art Zwiebelkonfit, und der Picada, dem traditionellen Nusswürzbrei. Ich habe mir also gedacht: Es ist nicht der schlechteste Weg, mehr über katalanisches Kochen zu lernen.

Die katalanische Küche

Ich durfte den Februar in Katalonien verbringen. Die Gegend ist eine wunderbare Mischung aus Einflüssen zahlreicher Gegenden und Epochen: Aus der römischen Antike ist die Liebe zum Olivenöl, dem gereiften Rohschinken und dem fermentierten Fisch geblieben, von den Arabern stammen neben den erwähnten süß-salzigen Kombinationen etwa der Reis und die vielen Nüsse.

Katalonien hat immerhin zwei der legendärsten Restaurants der vergangenen Jahre hervorgebracht, das El Bulli und den Celler de Can Roca, und einer meiner persönlichen Lieblingsköche werkt ebenfalls hier, der wunderbare Albert Adria. Wo sonst also könnte eine Verbindung aus Kalmar, Schwein und Schokolade ein gutes Ende nehmen?

Wie Schokokalmar schmeckt

"Calamars Farcits amb Salsa de Xocolata" schmeckt überraschend harmonisch und erstaunlich komplex. Weichtier und Schwein harmonieren ja generell gut, wie jeder weiß, der einmal Oktopuseintopf mit Chorizo oder bloß Schweinebauch mit Jakobsmuschel gegessen hat. Wollte man den Schokokalmar verkaufen, man könnte lobend schreiben: Die leichte Süße, die der Kalmar von sich aus mitbringt, wird hier von der Schokolade weiter unterstrichen, seine knackige Konsistenz ist ein guter Kontrapunkt zur cremigen Sauce.

Die Schokolade selbst wiederum passt erstaunlich gut zum Schwein, das dank Zwiebelkonfit bereits etwas vorgesüßt ist. Nüsse und Zimt geben dem Ganzen einen orientalischen Anstrich – hübsch wärmend an einem kalten Spätwinterabend. Kritisch ließe sich anmerken: Es bleibt etwas seltsam und schmeckt ein bisschen nach Weihnachtsfeier auf dem Meeresgrund.

Ich weiß nicht, ob ich mir je wieder denken werde "Heut' koch ich mir einen mit Schwein gefüllten Kalmar in Schokosauce". Es ist aber eine schöne Übung im Ausbalancieren von Geschmäckern, es nimmt die Scheu vor gewagten Kombinationen – und sowohl Sofregit als auch Picada werden mich sicher weiter begleiten.

Calamars Farcits amb Salsa de Xocolata – die Zutaten

Ein paar Sätze zu den Zutaten: Die Katalanen benutzen traditionell etwas, das Xocolata a la Pedra heißt, eine Schokolade, die ein wenig gezuckert, mit Reismehl gebunden und mit etwas Zimt gewürzt ist. Ich nehme nicht an, dass die in Österreich zu haben ist. Nehmen Sie stattdessen 50 bis 60 Prozentige Kochschokolade und mischen Sie zusätzlich etwas Zucker und eine winzige Prise Zimt in Ihre Picada, falls Sie den Geschmack mögen.

Die Kalmare wiederum sollten am besten mit Köpfen und Tenkakeln kommen, sodass Sie eben die in die Füllung mischen können. Falls Sie nur tiefgekühlte Exemplare ohne diese Teile bekommen, geht die Welt und mit ihr das Gericht auch nicht unter. Ich habe für zwei Leute drei Kalmare gefüllt.

Das Rezept

Bereiten Sie ein Sofregit zu (wie auch hier beschrieben): Schneiden Sie eine große Zwiebel in Stücke und braten/ konfieren Sie sie ganz langsam in jeder Menge Olivenöl. Nach etwa einer halben Stunde mischen Sie eine kleingehackte Karotte und zwei Zehen ebenso wie kleingehackten Knoblauch dazu. Lassen Sie das Ganze zart blubbern, solange Sie sich gedulden können und es nicht verbrennt. Mindestens eine, gern auch zwei, drei Stunden.

Foto: Tobias Müller

Kochen Sie einen Fischfond: Bedecken Sie Fischköpfe und Gräten, eine halbierte Zwiebel, etwas Thymian, Petersil und Lorbeer mit Wasser, bringen Sie es auf mittlerer Flamme zum Sieden und lassen Sie es eine halbe Stunde ziehen. Gießen Sie es durch ein Sieb ab. Falls Sie keine Fischgräten und -köpfe haben oder besorgen wollen, machen oder kaufen Sie einfach Hühnerfond.

Foto: Tobias Müller

Heizen Sie Ihr Rohr auf 180 Grad vor. Hacken Sie die Kalmarköpfe und -tentakel in kleine Stücke und braten Sie sie gemeinsam mit etwa 100 Gramm Schweinsfaschiertem, einem Schuss Semmelbröseln und einigen Pinienkernen im Sofregit, bis das Faschierte gut durch ist.

Foto: Tobias Müller

Packen Sie etwas Küchenrolle in ein Sieb und lassen Sie ihre Kalmarfüllung to be darin abtropfen. Heben Sie das köstliche Öl für weitere katalanische oder sonstige Kochexperimente auf.

Foto: Tobias Müller

Stopfen Sie Ihre Kalmare mit der Schweinsmischung – füllen Sie sie aber nicht zu voll, sonst platzen sie später im Rohr.

Foto: Tobias Müller

Ölen Sie eine Pfanne, legen Sie die gefüllten Kalmare hinein und backen Sie sie etwa 20 Minuten. Gießen Sie derweil 1/8 Liter Wein und 1/4 Liter Fischfond in die Pfanne, in der Sie die Füllung gebraten haben, lösen Sie alle etwaigen Krusten am Pfannenboden darin und kochen Sie die Flüssigkeit auf die Hälfte bis ein Drittel ein.

Foto: Tobias Müller

Während der Sud reduziert, mörsern Sie sechs geröstete Mandeln, eine Handvoll geröstete Pinienkerne, eine Scheibe altes getoastetes Weißbrot und 20 Gramm Schokolade zu einem Brei.

Foto: Tobias Müller

Mischen Sie den Brei in den reduzierten Fond und lassen Sie es erneut aufkochen, bis es schön eindickt und eine sämige, braune Sauce ergibt (Andrews schreibt von einem allgemeinen "Brown Food Problem" beim katalanischen Essen, aber ich persönlich finde diese Schlammtöne eigentlich recht hübsch).

Foto: Tobias Müller

Gießen Sie die Sauce über oder unter die Kalmare und servieren Sie sie gemeinsam mit was auch immer Ihrer Meinung nach zu einer Schweine-Schoko-Meeresfrucht-Sauce passt. (Tobias Müller, 6.3.2016)

Foto: Tobias Müller