"Wir lassen die Menschen durch, oder wir stoppen sie", sagt Außenminister Sebastian Kurz.

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Wien – Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat die österreichische Grenzschließungspolitik auf der Balkanroute verteidigt. "Es gibt nur zwei Wege: Wir lassen die Menschen durch, oder wir stoppen sie", sagte Kurz in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung". In Anspielung auf Kritiker wie den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der die Gewalt an der griechisch-mazedonischen Grenze als Beweis dafür gewertet hatte, dass "eigene nationale Wege (...) nicht zur Lösung führen", stellte der Außenminister die Frage, wie "das in der Türkei ablaufen wird". "Menschen werden mit Polizeigewalt aufgehalten werden müssen, das wird nur weiter entfernt von uns passieren, wo vielleicht nicht so viele TV-Kameras präsent sind."

"Es ist moralisch nicht hochwertiger, wenn die Flüchtlinge in der Türkei aufgehalten werden, als wenn man sie in Griechenland oder in Mazedonien aufhält. Für die Flüchtlinge bedeutet es das Gleiche, nämlich dass sie nicht nach Mitteleuropa durchkommen", sagte Kurz. Es sei eine "absurde Situation", dass die Migranten an der mazedonischen Grenze "demonstrieren und Gewalt anwenden, um von einem EU-Land in ein Nicht-EU-Land zu kommen". "Wir müssen doch ehrlich aussprechen, dass es hier nicht um die Suche nach Schutz geht, sondern um die Suche nach einer besseren ökonomischen Zukunft."

Kein Durchwinken = kein Flüchtlingsstrom

Es könne nicht sein, "dass die, die es bis nach Griechenland schaffen, automatisch weiterreisen dürfen", betonte Kurz. Je schneller man das Durchwinken nach Norden beende, desto eher werde der Flüchtlingsstrom abreißen, "weil die Leute sich nicht auf den Weg machen, um in einem Lager in Lesbos zu leben, sondern um ihre Wohnung in Berlin zu beziehen".

Kurz: Kritik trifft die Falschen

Kurz bot Griechenland Unterstützung in der Flüchtlingskrise an, bekräftigte aber auch die Kritik an Athen. "Wir Österreicher haben ohne internationale Hilfe 100.000 Leute untergebracht. In ganz Griechenland sind derzeit 25.000 Menschen, obwohl die Bilder anderes suggerieren." Daher gebe es in Österreich "ein starkes Bewusstsein dafür, dass die Kritik die Falschen trifft".

Kurz verteidigte auch die Entscheidung, Griechenland nicht an der Wiener Westbalkankonferenz zu beteiligen. Der griechische Außenminister habe noch vor drei Wochen bei einem Treffen mit seinen Kollegen der Balkanroute betont, "er wolle nicht bei einer Konferenz dabei sein, wo es darum geht, den Zustrom zu reduzieren", sagte Kurz. "Wir wussten: Wenn wir einen Beschluss zustande bringen wollen, ist es sinnvoll, sich mit den Staaten abzustimmen, die an einem Strang ziehen."

11.000 warten an der Grenze

Die mazedonische Polizei ließ indes am Mittwoch und Donnerstag insgesamt 510 Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak aus Griechenland einreisen. An der Grenze harren aber mehr als 11.000 Menschen aus. Am Mittwoch waren mehr als 2.000 Menschen neu nach Griechenland gekommen, wie das Innenministerium in Athen am Donnerstag mitteilte.

Auf der griechischen Seite der Grenze bei Idomeni kam es am Donnerstag erneut zu Protesten: Flüchtlinge legten den Eisenbahnverkehr lahm. Hunderte Menschen blockierten auf den Schienen einen Güterzug, der aus Mazedonien in Richtung Griechenland fahren wollte. Die Menschen skandierten immer wieder: "Open the border" (Öffnet die Grenze). (APA, red, 3.3.2016)