Ein Familienfoto: das Amara-West-Grabungsteam 2016 (Friedhof und Stadt-Grabung).

Foto: British Museum

Zur Feier des Abschlusses der Friedhofsgrabungen wurde von den Arbeitern auf der Grabung eine Ziege geschlachtet und zubereitet.

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Die außergewöhnliche schöne und vollständige Gruppe von Gefäßen, die Opfergaben für die Toten enthielten, aus Grab G322.

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Ein bisschen wie Tetris: Verstauen des Grabungswerkzeugs fürs nächste Jahr.

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Ein Krokodil, etwa 50 Meter von unserer Landestelle auf der Grabung entfernt.

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Sonnenaufgang am Nil – der Abschied fällt schwer, aber man sagt, wer einmal Nilwasser getrunken hat, kommt immer wieder.

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Mittlerweile sitze ich wieder in meinem Büro am Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI) im 19. Bezirk und schaue mit Grausen auf die Schneeflocken über dem Währinger Park, die doch einen krassen Kontrast zu Sonnenschein über Dattelpalmen darstellen. Ich zähle zu den Menschen, die unter 25 Grad frieren und zwischen Oktober und März nur mithilfe einer Tageslichtlampe überleben können. Als Resümee der vergangenen acht Wochen können wir mit dem, was wir geleistet und gefunden haben, ausgesprochen zufrieden sein. Ziel der Grabungskampagne 2016 war es, die drei großen Pyramidengräber, die bereits 2015 mit Ausnahme der Grabkammern selbst ausgegraben wurden, zu untersuchen, um Näheres über die Inhaber der Gräber herauszufinden.

Einflüsse der nubischen Kultur

Grab G321 war durch Beraubung relativ stark gestört, lässt jedoch trotzdem einige interessante Schlüsse zu. Während die Architektur des Grabes mit seiner acht mal acht Meter großen Pyramide, der Grabkapelle und den drei Grabkammern vollständig dem zeitgenössischen ägyptischen Bestattungsritus folgt, finden sich in diesem Grab deutlicher als in allen anderen bisher gefundenen Gräbern auch Einflüsse der nubischen Kultur. Dazu zählen Totenbetten, während in allen anderen Pyramidengräbern ausschließlich bemalte Särge zu finden waren. Das bestätigt den in den vergangenen Jahren gewonnenen Eindruck, dass einige Bewohner der Siedlung trotz einer teilweisen Annahme der fremden pharaonischen Kultur auch Elemente der einheimischen Kultur weiter pflegten. G321 zeigt das erste Mal, dass das bis in die höchsten sozialen Ebenen üblich war.

Obwohl wir keine Gegenstände finden, die uns Näheres über die Identität des Grabbesitzers verraten würden, können wir aufgrund von Größe – beim oberirdischen Grabbau handelt es sich um einen der größten, die in Nubien bisher gefunden wurden – und Lage innerhalb des Friedhofs davon ausgehen, dass es sich um einen der wichtigsten Bewohner der Siedlung handelte. Da anhand der schriftlichen Quellen davon auszugehen ist, dass Amara West die Provinzhauptstadt Obernubiens war, liegt auch der Schluss nahe, dass der Erbauer von Grab G321 einer der dort residierenden Provinzgouverneure war. Das Fundmaterial legt die Vermutung nahe, dass dieser vielleicht kein Ägypter war, der zum Dienst nach Nubien entsandt wurde, sondern ein Einheimischer, der ebenfalls bis in die höchsten Ränge der ägyptischen Kolonialadministration aufsteigen konnte.

Bestattung nach ägyptischem Totenbrauchtum

Die besten Ergebnisse konnten wir in dem relativ wenig gestörten Grab G322 erzielen. Aufgrund der Keramik wissen wir nun, dass es sich um ein Grab aus der Gründungsphase der Siedlung von Amara West in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts vor unserer Zeit handelt. Architektur des Grabes und Ausstattung der ältesten der insgesamt etwa 15 Bestattungen – die genaue Analyse der zahlreichen vermischten Knochen ist noch ausständig – in diesem Grab deuten ebenfalls darauf hin, dass es sich um einen der höchsten Beamten, die zu dieser Zeit in Amara West residierten, handeln musste. Das Fragment eines Ushabtis weist ihn als Ibay aus. Dieser wurde jedoch im Gegensatz zum Inhaber von G321 ausschließlich nach ägyptischem Totenbrauchtum bestattet. G321 datiert jedoch auch etwa 100 Jahre später.

Auch in der Siedlung lässt sich ein Wandel von einer Siedlung nach streng ägyptischem, durchgeplantem Muster hin zu einer gewachsenen, kulturell heterogeneren Struktur mit stärkeren nubischen Elementen nachvollziehen. Ähnliches könnte sich auch hier im kulturellen Ausdruck der Bestattungen der höchsten Beamten widerspiegeln.

Ein unüberwindbares Hindernis

Bei dem daneben liegenden Grab G320 wissen wir aufgrund von Ushebtis mit seinem Namen, dass es sich um das Grab des Paser, eines Provinzgouverneurs während der Regierungszeit Ramses III. (1186–1155 vor unserer Zeit), handelt. In dieses Grab, dessen Grabschacht von sieben Metern Tiefe alle anderen bei weitem an Dimension übertrifft, hatten wir anfangs große Hoffnungen gesetzt. Während wir zu Beginn der Kampagne 2016 noch den Schacht fertig freilegen und dabei weitere Ushebti-Fragmente finden konnten, mussten wir nach ein paar Tagen feststellen, dass der Zugang zu den Grabkammern vollständig eingestürzt war.

Das Schiefergestein im Bereich von Friedhof D von Amara West ist sehr brüchig, weswegen wir in den übrigen Gräbern auch nur mithilfe von Stützkonstruktionen arbeiten konnten. Die großen Gesteinsbrocken und tiefen Risse im Fels über der Grabkammer stellten uns jedoch vor ein unüberwindbares, zu gefährliches Hindernis, sodass wir die Arbeit einstellen mussten. Auch wenn die Entscheidung sehr schwer fiel: Bei allem wissenschaftlichen Interesse ist es das nicht wert, ein Menschenleben zu riskieren.

Ausstellung im Herbst geplant

Mit dem Abschluss der Grabungsarbeiten beginnt nun die eigentliche Forschungsarbeit, die oft nicht immer ganz so attraktiv wie die Feldarbeit ist. Acht Wochen Grabung erbringen genug Material und Daten, um eine Reihe von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern das nächste Jahr zu beschäftigen. Die Pläne und Aufzeichnungen müssen nun digitalisiert und ausgewertet, die Skelette, Tierknochen, botanischen Reste und Funde untersucht werden. Diese neuen Daten werden dann mit den Ergebnissen der vergangenen Kampagnen zusammengeführt und sollen in den nächsten Jahren im Rahmen einer Reihe von Büchern über die Ausgrabungen in Amara West veröffentlicht werden. Im Herbst wird es möglicherweise auch bereits eine erste Ausstellung über Amara West am Sudan National Museum geben, das ist derzeit in Planung.

Nächstes Ziel: Ephesos

Für mich bedeutet das Ende der Grabungskampagne auch einen Abschied von Amara West, denn das war für mich die letzte. Das liegt einerseits am Auslaufen der Fördergelder, aber auch an der Tatsache, dass wir in acht Jahren Ausgrabung eine schöne Stichprobe bekommen konnten. Es ist fraglich, ob weitere Ausgrabungen mit den derzeit verfügbaren Methoden unser bereits gewonnenes Bild der Friedhöfe verändern würden. Daher ist nun ein guter Zeitpunkt, die Arbeit fürs Erste zu beenden und den Rest vielleicht für zukünftige Generationen von Archäologen zu bewahren. Für mich ist die nächste Station nun die Ausgrabung des ÖAI an der Weltkulturerbe-Stätte Ephesos, ein ebenfalls faszinierendes, interdisziplinär geführtes Großprojekt unter der Leitung der Direktorin des ÖAI, Sabine Ladstätter. Den Koffer brauche ich gar nicht auspacken, am Sonntag geht es weiter zu einem kurzen, einwöchigen Forschungsaufenthalt.

Damit darf ich mich von den Leserinnen und Lesern des Blogs verabschieden. Ich bedanke mich sehr herzlich für das Mitlesen, das Interesse an unserer Arbeit und die vielen positiven Kommentare, über die ich mich sehr gefreut habe. Für Fragen, Bitten, Beschwerden und Ähnliches stehe ich gerne zur Verfügung, auf meiner Website und Twitter werde ich auch weiter über laufende Projekte und Vorträge informieren. (Michaela Binder, 3.3.2016)