Viele chinesische Arbeiter werden künftig mehr Pausen haben, als ihnen lieb sein wird. Allein in der Kohle- und Stahlindustrie sollen in den nächsten Jahren 1,8 Millionen Jobs wegfallen.

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Peking/Wien – Gute Nachrichten von Chinas Konjunkturfront sind derzeit eher rar gesät. Der Wandel von der verlängerten Werkbank der Welt hin zu einer stärker auf Dienstleistungen gestützten Wirtschaft geht nicht ohne Dellen ab, wie einmal mehr die neuesten Konjunkturdaten zeigen.

Chinas Industrie ist im Februar so stark geschrumpft wie seit November 2011 nicht mehr. Der am Dienstag veröffentlichte offizielle Einkaufsmanagerindex sank von 49,4 Zählern im Vorjahr auf 49,0 Punkte. Ein Wert von über 50 wird als Wachstum interpretiert, ein Wert darunter als Schrumpfen. Der Index, der auf einer Befragung von Managern an der Spitze von Industrieunternehmen nach dem Geschäftsverlauf basiert, markiert wieder einmal einen kleinen Negativrekord: Schlechter war die Kennzahl seit sieben Jahren nicht.

Auch der private Caixin/Markit-Einkaufsmanagerindex signalisiert ein Schwächeln der Wirtschaft. Für den Index werden vorwiegend kleine und mittelgroße Firmen befragt. Er fiel stärker als erwartet um 0,4 auf 48,0 Punkte. Die chinesischen Industrieunternehmen bauen demnach im schnellsten Tempo seit sieben Jahren Arbeitsplätze ab. Damit wachsen Zweifel, ob es der Regierung gelingt, die Überkapazitäten in der Industrie abzubauen, ohne gleichzeitig einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit auszulösen.

Dienstleister wachsen weniger stark

Dass die Sorge berechtigt ist, zeigt eine andere Kennzahl: Anders als die Industrie wuchs der Dienstleistungssektor leicht. Allerdings verlor auch er spürbar an Schwung. Der offizielle Einkaufsmanager-Index fiel im Februar auf 52,7 Zähler. Im Jänner lag das Barometer noch bei 53,5. "Wir würden den Rückgang zwar nicht als dramatisch, schon aber als ernstzunehmendes Warnsignal interpretieren", sagte Frederik Kunze, Analyst bei der Nord/LB.

Für den Analysten und China-Experten Frederik Kunze von der NordLB ist "in Bezug auf konjunkturelle Bremsspuren aus dem Reich der Mitte spätestens seit jetzt von einer erhöhten Alarmbereitschaft zu sprechen".

Dass nicht nur Exportwirtschaft und Schwerindustrie schwächeln, sondern auch Dienstleistungsbranchen, käme der Regierung wenig gelegen, will sie doch das Wirtschaftsmodell kräftig umkrempeln: von der Herstellung billiger Produkte für die Industrienationen in Richtung moderner Ökonomie, in der innovative Produkte und der Konsum das Wachstum der Wirtschaft treiben.

Doch wachsender Inlandskonsum setzt auch ausreichend Jobs voraus. Diese Zahl könnte zunächst aber radikal schrumpfen: Wegen der Überkapazitäten aufgrund der Konjunkturabkühlung, will die chinesische Regierung nun fünf bis sechs Millionen Jobs im Staatssektor streichen – in den nächsten zwei bis drei Jahren laut Regierungsquellen in Peking. Es sei die größte Umstrukturierung seit fast zwei Jahrzehnten.

Insidern zufolge sollen die Arbeitsplätze bei "Zombie-Firmen" gestrichen werden, die seit Jahren Verluste schreiben.

15 Milliarden zur Abfederung

Ende der 1990er-Jahre waren in einem Zeitraum von fünf Jahren 28 Millionen Jobs abgebaut worden. Die damalige Umstrukturierung verursachte Kosten in Höhe von 73,1 Milliarden Yuan (10,25 Mrd. Euro) für die soziale Abfederung. Erst am Montag hatte Arbeitsminister Yin Weimin erklärt, dass allein in der Kohle- und Stahlindustrie 1,8 Millionen Jobs wegfallen sollen. Um soziale Unruhen zu vermeiden, neue Stellen zu schaffen und Schulden von pleitegehenden Firmen zu begleichen, stellt die Regierung umgerechnet fast 15 Milliarden Euro in den kommenden beiden Jahren zur Verfügung.

Wirklich spannend wird es am Wochenende. Experten rechnen, damit, dass auf der Jahrestagung des chinesischen Volkskongresses in Peking das Wachstumsziel der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt auf 6,5 Prozent gesenkt werden wird. (Reuters, rebu)