Wien – Gefängnisse gelten als eine "Brutstätte" für Radikalisierung. Deshalb forciert Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) weiter die Extremismus-Prävention und De-Radikalisierung in den Haftanstalten. Einfache Rezepte dafür gibt es nicht, das Ministerium hat ein "ganzheitliches Maßnahmenpaket" geschnürt. Seit Februar arbeitet die Justiz mit dem Experten-Netzwerk DERAD zusammen.

Derzeit (Stand 25. Februar) sitzen 37 Personen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft bei bzw. Unterstützung einer Terrorgruppe in Haft – neun von ihnen in Strafhaft, 28 in U-Haft. Die Bedrohung durch den islamistischen Terror des IS lässt sich auch an der Justiz-Statistik ablesen: Die Zahl der Verfahren nach Par. 278b StGB – Terroristische Vereinigung – ist im Jahr 2015 auf 200 gestiegen. 2014 waren es 72, die Jahre davor nur um die 30. Wegen Terror-Straftaten (278c) wurde 2015 in neun Fällen ermittelt, 2014 nur in zwei.

Entsprechend stieg auch die Zahl der Verfahren: 2015 gab es 28 Verurteilungen wegen Teilnahme an einer Terror-Vereinigung, die Jahre zuvor keine oder maximal eine. Die Anklagen stiegen von einer (2013) über neun (2014) auf 49 im Vorjahr.

Damit ist auch der Handlungsbedarf in den Gefängnissen groß. Brandstetter hat schon im Sommer 2015 die Task Force "De-Radikalisierung im Strafvollzug" eingesetzt. Deren bereits ergriffene und noch geplante Maßnahmen wurden nun zum Gesamtprogramm zusammengefasst.

Entlassung vorbereiten

Die Maßnahmen: Für Personen, die wegen Terrordelikten in Haft sind, gelten besonders strenge Sicherheitsbestimmungen. Schon zu Beginn der U-Haft muss für sie ein individueller Vollzugsplan erstellt werden; ihre Haftentlassung wird besonders intensiv gemeinsam mit dem sozialen Umfeld vorbereitet.

Häftlinge, die von einer religiös begründeten extremistischen, gewaltbejahenden Ideologie überzeugt sind, werden besonders intensiv betreut. Seit Anfang Februar unterstützt der Verein DERAD.at die Justizanstalten mit speziellen Gesprächsformaten für diese Insassen. Dieser Verein ist ein Netzwerk aus Wissenschaftern und Experten mit praktischer Erfahrung in diesem Bereich, erläuterte der Islamismus-Experte Moussa Al-Hassan Diaw. Das bereits praktizierte Anti-Gewalttraining für Straftäter soll mit De-Radikalisierungs-Modulen erweitert werden.

In jeder Justizanstalt gibt es zwei besonders geschulte und sensibilisierte Justizwachebedienstete, die auch als Schnittstelle zu den Landesämtern für Verfassungsschutz dienen. Derzeit wird ein Screening-Verfahren – orientiert an internationalen Risikoeinschätzungsinstrumenten – erarbeitet, damit Vollzugs-Psychologen das Risiko, das von einzelnen Häftlingen ausgeht, systematisch bewerten können.

Seit 2015 werden Justizwachebeamte durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorbekämpfung bzw. die Landesämter geschult. Mit den Verfassungsschützern gemeinsam sollen konkrete Bildungsformate für die Grundausbildung des Strafvollzugspersonals ausgearbeitet werden. (APA, 29.2.2016)