Wien – Eines ist sicher: Keiner der anwesenden Fußballer im Verhandlungssaal 203 wird als Spieler an der Europameisterschaft in Frankreich teilnehmen. Weder Erstangeklagter Rene Swete, Tormann beim Bundesligisten Grödig, noch Richter Marc Farkas, Mittelstürmer in Oberwart, noch Staatsanwalt Bernhard Löw, Goalie bei einem kleinen Wiener Verein.

Die größten Chancen, in Frankreich dabei zu sein, hat wohl noch Swetes Verteidiger, Rapid-Fan Werner Tomanek – zumindest wenn er ein Ticket für die Spiele gegen Ungarn, Island oder Portugal bekommt.

Angeklagt ist Swete wegen Körperverletzung an seiner damaligen Freundin Denise A., die er auch mit dem Tod bedroht haben soll. Die sitzt allerdings ebenso als Angeklagte neben ihm, sie soll ihm im Zuge des Streits nämlich einen Faustschlag ins Gesicht verpasst haben.

Keine leichte Zeit nach Niederlage

Verteidiger Tomanek ist in seinem Plädoyer wie so oft bodenständig. "Er hat ja keine leichte Zeit seit gestern", spielt er darauf an, dass Grödig am Sonntag gegen Rapid 3:2 verloren hat, dass Swete in der 85. und der 91. Minute die entscheidenden Tore kassierte.

Überhaupt: "Es wor a schwere Partie" und "Frauen in Verbindung mit Alkohol können anstrengend sein", versucht er die Schuld Richtung Verletzter zu schieben.

Das Verfahren bietet interessante Einblicke in den Profifußball. Am 17. Oktober spielte die Mannschaft des Erstangeklagten gegen die Wiener Austria – und verlor, da er ein sogenanntes Eiertor bekam.

Dementsprechend gedämpft war seine Stimmung, als er anschließend mit seiner Freundin in ein Shisha-Lokal fuhr. Swete sagt zu Farkas, "diese Person" habe Launen gehabt, die ihn nicht interessiert hätten. A. schildert, der Fußballprofi sei frustriert gewesen, und sie habe ihn in Ruhe gelassen.

Frust in Alkohol ertränkt

Der Frust wurde offenbar in Alkohol ertränkt. Um zwei Uhr verließ das Paar die Lokalität, um auf der Straße zu streiten. Von hier an differieren die Versionen. Swete erzählt, er wollte mehrfach in ein Taxi steigen und alleine heimfahren, A. habe ihn daran gehindert.

Der heftige Streit ging weiter, als "die Dame" ihm ansatzlos mit der Faust ins Gesicht geschlagen habe, wodurch er eine Augenprellung erlitt. Daraufhin habe er sie mehrmals weggestoßen. "Vielleicht habe ich sie am Hals berührt", kann er sich ihre Verletzungen nur so erklären. Schlussendlich sei er dann alleine gefahren.

Die Zweitangeklagte erzählt das anders, hat aber ein gewisses Problem. Zumindest ein Teil des Vorfalls wurde von einer Überwachungskamera gefilmt. Bevor sie das wusste, hatte sie der Polizei geschildert, sie sei zunächst gemeinsam mit Swete in ein Taxi gestiegen. "Er hat mich mit den Füßen hinausgetreten und wurde selbst vom Lenker hinausgehauen."

Gewürgt und geschlagen

Anschließend sei es schon zu schweren Angriffen gekommen: Er habe sie gewürgt und ihr Faustschläge verpasst. In Notwehr habe sie einmal zugeschlagen. Als sie auf dem Boden gelegen sei, habe er sie an den Haaren hochgezogen und ins nächste Taxi gezerrt.

In dem Video stellt sich die Sache etwas anders dar. Zu sehen ist, dass Swete offenbar mehrmals von dem Streit weggehen und in verschiedene Taxis einsteigen will, A. ihm aber immer wieder nachgeht und ihn weiter zur Rede stellt. Irgendwann ist auch zu sehen, dass sie Richtung Gesicht schlägt.

Genauso ist allerdings aufgenommen, dass er sie des Öfteren wegstößt. Die von A. behaupteten Übergriffe sollen dann außerhalb des Bildausschnitts passiert sein.

Nach Vorfall in Lokal gefahren

Bei der Polizei sagte die von Alfred Boran verteidigte Verletzte auch noch, sie sei anschließend heimgefahren. Nun sagt sie aus, sie habe ihren besten Freund angerufen, der in einem drei Kilometer entfernten Lokal war, sei zu ihm gefahren und habe ihm von dem Vorfall erzählt.

Zumindest eine Stunde war sie dort, bis auf ihre beste Freundin sagen die anderen Gäste, sie hätten keine Verletzungen wahrgenommen. "Ich hatte einen hochgeschlossenen Pulli an und mir extra die Haare vor das Gesicht gekämmt", begründet die 26-Jährige das.

Grund, gleich zur Polizei zu gehen, sah sie keinen. "Ich habe mit einer Entschuldigung gerechnet und dass am nächsten Tag wieder alles in Ordnung ist", sagt sie dazu. Swete entschuldigte sich nicht, als sie am nächsten Tag aufwachte, hatte sie massive Schluckbeschwerden und Schmerzen am ganzen Körper.

Sie fuhr ins Spital, wo die Würgemale dokumentiert wurden, anschließend zur Polizei. Am Abend schickte ihr Ex-Freund noch ein langes Mail an einen ORF-Sportreporter, in dem ihre Version der Geschichte geschildert wurde.

"Wenig respektvoll Frauen gegenüber"

Die weiteren Verletzungen und blauen Flecken, die sie nun Farkas schildert, sind nicht von Ärzten dokumentiert. Aber ihr Ex-Freund sei "generell wenig respektvoll Frauen gegenüber, und wenn er betrunken ist, ist er untragbar". Nach ihrer Darstellung war das fast jedes Wochenende der Fall.

Insgesamt ist die Angelegenheit ein wenig unklar. Selbst Staatsanwalt Löw geht davon aus, dass die Wahrheit irgendwo in der Mitte liege, und kann sich eine Diversion für den Fußballer vorstellen, wenn er die Verantwortung für alle Verletzungen übernimmt.

Das macht der Unbescholtene, daher wird er rechtskräftig nicht verurteilt, sondern muss 5.000 Euro an den Staat und 1.500 Euro an das Opfer zahlen.

A. wird dagegen ebenso rechtskräftig freigesprochen, Farkas glaubt ihr, dass sie in Notwehr zugeschlagen habe. Der Ankläger hat in seinem Schlussvortrag auch noch einen wertvollen Rat parat. "Es ist traurig, dass Fußballer a) Alkohol trinken, b) das in der Öffentlichkeit machen und drittens Konflikte nicht gewaltfrei gelöst werden können. Aber vielleicht spielt er deshalb nicht bei Bayern München", mutmaßt er. (Michael Möseneder, 29.2.2016)