Can Dündar und Erdem Gül nach ihrer Freilassung.

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Istanbul – Nach seiner Freilassung aus der Untersuchungshaft in der Türkei hat der Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" Kritik an der passiven Haltung der EU geäußert. "Ich bin sehr enttäuscht von Europa", sagte Can Dündar der Zeitung "Die Welt" vom Samstag.

Zur Lösung der Flüchtlingskrise sei zwar "bis zu einem gewissen Grad" eine Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung akzeptabel. "Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass sich europäische Politiker nicht davon abhalten lassen, öffentlich deutliche Worte zum Thema Menschenrechte und Pressefreiheit zu finden."

Drei Monate in Untersuchungshaft

Dündar und der "Cumhuriyet"-Büroleiter in Ankara, Erdem Gül, waren am Freitag nach dreimonatiger Untersuchungshaft entlassen worden. Zuvor hatte das Verfassungsgericht entschieden, dass ihr Recht auf Meinungsfreiheit und ihre Persönlichkeitsrechte verletzt wurden. Das Verfahren unter anderem wegen Spionage und Geheimnisverrat wird aber fortgesetzt. Hintergrund ist ein Artikel der beiden über angebliche Waffenlieferungen der Türkei an Extremisten in Syrien. Der Prozess soll am 25. März beginnen. Dündar und Gül droht lebenslange Haft.

Atmosphäre des Hasses

Dündar zeigte sich dennoch optimistisch. "Meines Erachtens hat das Verfassungsgericht nicht nur unsere Freilassung veranlasst, sondern einen Freispruch ausgesprochen." Er warf Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vor, "eine Atmosphäre des Hasses" in der Türkei zu schaffen. "Mal trifft es Journalisten, mal Wissenschafter, mal Oppositionspolitiker." Erdogan selbst hatte Dündar und Gül angezeigt. (APA, 28.2.2016)