Durch Wälder und über Stock und Stein ging es für sechs Studierende ein ganzes Semester lang. Die Studierenden der Wanderuni stellten sich ihren Studienplan auf Reisen zusammen.

Foto: Wanderuni.de

Berlin – Von der feuchten Isomatte aufstehen, die Wanderschuhe anziehen, Routenmöglichkeiten mit den Mitwandernden besprechen. Dann ein kurzes Frühstück, bevor es anschließend weitergeht mit Rucksack und Spazierstock.

Was sich nach den Ritualen ei nes Wanderurlaubs anhört, war für eine Gruppe von sechs Stu dierenden vergangenes Jahr Lern alltag. Sie waren Teil der Wanderuni, die sechs Monate durch Deutschland getourt ist. Das Konzept: Junge Menschen schließen sich für ein Semester lang zu ih rem eigens ausgearbeiteten Studiengang zusammen.

Was einfach klingt, ist manchmal dann aber doch recht schwer. "Die komplette Selbstorganisation war auf jeden Fall die größte Her ausforderung", sagt Emil Allmenröder. Er war vergangenes Jahr mit der Wanderuni unterwegs, seine Erfahrungen gibt er jetzt an den nächsten Jahrgang, der sich gerade formiert, weiter.

Freiheit im Lernprozess

Allmenröder, der derzeit in ei ner Gärtnerei arbeitet und später Therapeut werden will, hatte bereits Kontakt mit dem System Hochschule: "Ich habe in Dresden Philosophie und Politikwissenschaft studiert, es nach einem Jahr aber wieder gelassen. Ich hatte den Wunsch nach mehr Freiheit im Lernprozess." Für manche Studierende sei der Masterplan ihrer Eltern à la "Zuerst vielleicht ein Auslandssemester und dann ein ordentliches Studium, wenn möglich bitte in Mindestzeit" nicht der Königsweg, meint der 23-Jährige. "Viele wissen nach der Schule einfach noch nicht genau, in welche Richtung sie wollen, und beginnen trotzdem ein Studium", kritisiert er.

Die Idee für die Wanderuni entstand im Zuge des "Funkenfluges", eines Projekts, bei dem Schüler aus ganz Deutschland nach Berlin gewandert sind, um dort über mögliche Veränderungen im Bildungssystem zu debattieren. Und so stand auch bei der Wanderuni die grundsätzliche Frage "Was wollen wir lernen?" im Zuge der Vorbereitung zur Diskussion. "Es haben sich dann schnell einige Lernziele herauskristallisiert, auf die wir uns alle einigen konnten", erzählt Allmenröder. Am Ende gehe es vor allem darum, was man sich aus eigener Motivation her aus aneignen wolle.

Lernend das Land erwandern

Auf dem Lehrplan der Wanderuni 2015 standen neben Workshops in Sachen Permakultur, Heilkräuter und gewaltfreie Kommunikation zum Beispiel auch handwerkliche Tätigkeiten wie Töpfern. Apropos Handwerk: Besonders stolz ist der Lehrgang auf einen selbstgebauten Fahrradbus, mit dem sechs Personen inklusive Gepäck unterwegs sein können.

Deutschland zu Fuß zu durchqueren bedeutet vor allem eines: gehen. Des Wanderns überdrüssig sind die Studierenden aber nicht geworden. "Irgendwann wird das Wandern zur natürlichsten Sache der Welt", sagt Allmenröder.

Was auf der Walz gut funktioniert und was weniger, stellte sich schnell heraus. Ein fixer Stundenplan wurde schnell wieder verworfen. Auch innerhalb der Gruppe gab es Reibereien während der Wanderschaft. "Wir haben vor der Abreise einen Vertrag aufgesetzt, der hat uns über die Zwiste gut hinweg geholfen."

Reguläres Studium

Bei der Herbergssuche machten die Wanderuni-Studierenden überwiegend positive Erfahrungen. Auf spontane Fragen zwecks Übernachtungsmöglichkeit wurde meist gastfreundlich reagiert – auch weil das Konzept der Wanderuni Anklang fand: Neben ei nem warmen Essen gab es auch stärkende Worte für die Durchführung des Projekts. "Einige haben das auch mit dem Nachsatz gesagt, dass wir aber nachher schon etwas anderes auch noch studieren sollten", erinnert sich Allmenröder augenzwinkernd.

Er könnte sich auch vorstellen, ein solches Semester eines Tages in ein reguläres Studium zu integrieren. Den ersten Testlauf hat die Wanderuni ja bereits hinter sich. (David Tiefenthaler, 5.3.2016)