In die Analyse eingegangen sind 71 Kindergärten und 56 Kindergruppen.

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Wien – Das Geraune um die Studie über islamische Kindergärten in Wien hat seit Freitagmittag ein Ende: Auf der Institutshomepage von Studienautor Ednan Aslan, Professor für Islamische Religionspädagogik, ist der 178 Seiten umfassende Projektbericht "Evaluierung ausgewählter Islamischer Kindergärten und -gruppen in Wien – Tendenzen und Empfehlungen" öffentlich einsehbar.

Ihm sei diese Öffentlichkeit auf der Uni-Website wichtig, sagte Aslan zum STANDARD. Von der Außenministeriumshomepage führt ein Link zur Aslan-Seite. Auf der Ministeriumseite von Ressortchef Sebastian Kurz (ÖVP), der die Studie finanziert, wird der "Aslan-Bericht" – "ein qualitativ-empirisches Forschungsprojekt zu ausgewählten Kinderbetreuungseinrichtungen in der Stadt Wien" genannt, das die "Grundlage" für eine "gemeinsame Untersuchung mit der Stadt Wien sei.

Vier Betreibergruppen

Was ist das zentrale Ergebnis aus Aslans Sicht? "Intellektuelle Salafisten und politische Islamisten sind die dominierenden Gruppen in der islamischen Kindergartenszene in Wien." Das habe die Analyse der Betreiber von islamischen Kindergärten und Kindergruppen in Wien eindeutig gezeigt, sagt Aslan. Diese zwei von insgesamt vier Gruppen, die sich schon im Rahmen einer vorab veröffentlichten, ersten Exploration, die er bereits in einem STANDARD-Interview Ende Jänner genannt hatte, seien jene, von denen "nicht zu erwarten ist, dass sie ihre ideologische Linie in ihrer Arbeit im Kindergarten zurückstellen".

Die beiden anderen Gruppen subsumiert Aslan unter "Wirtschaftsunternehmen", die den Kindergarten als finanziell lukrative Firma verstehen und führen, und dann gebe es noch eine kleine "Alternativgruppe", die sich um bessere pädagogische Arbeit als die anderen bemühe und die gefördert werden müsste, sagt Aslan.

Entmündigen und einschüchtern

Die Gruppe der "intellektuellen Salafisten" umschreibt der islamische Religionspädagoge als "wichtige theologische Gruppe, die die Kinder entmündigen und mit veralteter Pädagogik einschüchtern will". In der Studien-Zusammenfassung heißt es dazu im Punkt "Religiöse Bildung/Erziehung", dass "vielfach Religionsunterricht angeboten" werde, Eltern würden ihre Kinder sogar wieder abmelden, "wenn sie die erwartete religiöse Erziehung nicht bekommen".

Die Studienautoren haben auch beobachtet: "Bisweilen sollen Kinder auch vor dem moralischen Einfluss der Mehrheitsgesellschaft geschützt werden."

Täglich oder mehrmals in der Woche "Islam/Koran- oder Moralunterricht" sei ein "wichtiger Teil in den Kindergärten" – für Eltern und Betreiber. Allerdings sei "die Intention eines solchen Angebots zu differenzieren. Während teilweise Pädagoginnen oder teilweise auch Eltern den Islamunterricht keinem Kind aufgezwungen wissen wollen, scheinen BetreiberInnen eher davon auszugehen, dass der Islam die einzige richtige Lebensform ist und die Kinder dahin geführt werden müssen. Dies lässt sich auch durch Äußerungen der Leitungen bestätigen. Für nichtmuslimische Kinder gilt hingegen die Freiwilligkeit: sie können, müssen aber nicht an diesem Unterricht teilnehmen."

Feste feiern – oder nicht

Islamische Feste werden gefeiert, ob Feste anderer Religionen gefeiert oder auch nur erwähnt werden, hänge von den Pädagoginnen ab. Gerade im Umgang mit Festen sieht Aslan einen aussagekräftigen Punkt. "Stellenweise" falle nämlich auf, dass religiöse Praktiken wie eben Feste zu feiern "eher von einem trennenden Gedanken getragen sind" – bei Leitungen und pädagogischem Personal. Und hier auch wieder der Verweis auf die Betreiber und deren Ideologie, denn der Umgang mit Festen "scheint mit dem Ansinnen der BetreiberInnen konform zu gehen", ist zu lesen.

"Verdeckte Missionierung"

Konkret schreibt Aslan, dass in verschiedenen Kindergärten zwar auch christliche Feste angeboten werden, "allerdings beteiligen sich die muslimischen Kinder daran nicht, während anders herum christliche bzw. nichtmuslimische Kinder freiwillig an muslimischen Festen teilnehmen können. Die Freude an Festen, das Unvoreingenommene von Kindern, die kindliche Neugier auf ,das Andere' wird hier unterbunden bzw. verdeckte Missionierung betrieben."

In diesem Zusammenhang heißt es weiters: "Die Werteerziehung scheint teilweise von einer konservativen Theologie getragen zu sein, die in erster Linie der Mehrheitsgesellschaft keine Bedeutung beimisst, sondern ,ihre Kinder' vor dieser schützen möchte." Diese Beobachtung lasse sich "bei allen befragten Gruppen machen".

Zusammengefasst resümiert Aslan die religiöse Erziehung der Kinder in islamischen Kindergärten so: "Pluralitätsfördernde Impulse kommen oft zu kurz. In der religiösen Erziehung bestimmen traditionelle Bilder die Erziehung der Kinder, es wird beispielsweise mit strafenden und belohnenden Gottesbildern gearbeitet. Dabei werden Kinder mit einem veralteten Sündenverständnis eingeschüchtert, und es wird ihnen die Entwicklung zur Mündigkeit genommen. Die eigene Religion wird mitunter vor anderen Religionen und Weltanschauungen aufgewertet."

"Wenig Offenheit"

Generell konstatierte Aslan, dass es "wenig Offenheit" bei den islamischen Kindergärten gab, am Forschungsprojekt teilzunehmen. Ja vielmehr sei die Forschungsarbeit nach Veröffentlichung der ersten Ergebnisse zusätzlich erschwert worden, indem einige Kindergärten oder -gruppen ihre Internetpräsenz gelöscht und Daten so unzugänglich gemacht hätten. Darum habe man auch "weniger Kindergärten als erhofft" untersuchen können. In die Analyse eingegangen sind "als Grundlage" alle jene 71 Kindergärten und 56 Kindergruppen, die als "'islamisch' identifiziert worden sind", heißt es im Bericht. Danach wurden 15 Trägervereine telefonisch oder per Mail angefragt, ob sie bereit seien, an dem Projekt "Islamische Kindergärten" teilzunehmen. Acht waren bereit zu leitfadengestützten Interviews, dort werden insgesamt 1.940 Kinder in 19 Kindergärten und -gruppen betreut.

Im Hinblick auf die Betreiber steht in der Studie: "Es ist aufgrund des bisherigen Standes der Analyse davon auszugehen, dass salafistische bzw. islamistische Organisationen in der Kinderbetreuung nicht so einfach auf ihre politischen Ziele verzichten können. Die in der Studie kurz angeführte Darstellung der Ideologie der Vereine bzw. dieser Akteure schlägt sich zweifellos auf die Pädagogik nieder."

Nicht jeder soll dürfen

Aslan sagt dazu im STANDARD-Gespräch: "Wir brauchen neue Maßnahmen, dass nicht jeder einen Kindergarten gründen kann." So wie für Kindergartenpersonal müsse es auch für Betreiber solche Vorgaben geben. Es gehe nicht an, dass ein Vertreter der Muslimbruderschaft, der einen Kindergarten in Wien betreibt, offen sagt, man unterstütze den Krieg in Syrien oder in einem Video zu sehen sei, in dem es heiße, "wir wollen in Europa missionieren", sagt Aslan: "Dieser Mann kann nicht neutral in einem Kindergarten arbeiten. Das ist eine naive Vorstellung."

Sprachförderung prekär

Zum Unterpunkt "Sprachförderung" steht im Endbericht, dass "die deutsche Sprache sehr unterschiedlich gefördert" wird. In einem islamischen Kindergarten wünschte man sich dafür mehr Unterstützung durch das zuständige Magistrat in Wien. "In einem anderen Kindergarten ist den Kindern die Verwendung der Muttersprache untersagt und sie werden angehalten, Deutsch zu sprechen."

Die meisten islamischen Kindergärten seien "in der Regel ethnisch und national homogen zusammengesetzt", ist zu lesen. Was bedeutet: "In diesen Gruppen ist die Förderung der deutschen Sprache eine besondere Herausforderung für die Kindergärten. Es ist in diesem Umfeld fast unmöglich, ein Gefühl für die deutsche Sprache zu entwickeln."

Aslan spricht selbst nur von einer "Vorstudie", die nun vorliege, es seien umfangreichere Studien über die islamischen Kindergärten in Wien notwendig. Diese "flächendeckende Untersuchung" wurde am Freitag auch per Aussendung konkreter angekündigt.

Flächendeckende Studie kommt

Die Arbeiten daran sollen bis Mai 2017 abgeschlossen sein. Folgende Wissenschafterinnen und Wissenschafter werden beteiligt sein: Neben Ednan Aslan werden Susanne Heine (Universität Wien, Evangelisch-Theologischen Fakultät), Maria Fürstaller (Universität Wien und FH Campus Wien), Elisabeth Raab-Steiner (FH Campus Wien), Wolfgang Mazal (Universität Wien) und der Diplomsoziologe Kenan Güngör mit dabei sein.

Die Stadt Wien, so wurde versichert, stellt die dafür erforderlichen Daten bereit. Man werde den Zugang zu allen Kinderbetreuungseinrichtungen gewähren und auch Vereinsregisterauszüge vorlegen, wurde beteuert: "Eine wichtige Fragestellung wird sein, ob die pädagogischen Konzepte jener privaten institutionellen Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtungen (Kindergärten und Kindergruppen) in Wien, mit den Grundwerten der österreichischen Verfassung, Kinder- und Menschenrechte sowie dem Wiener Bildungsplan übereinstimmen."

Ebenso solle untersucht werden, welche Werte und Normen in der Praxis tatsächlich gelebt werden. Auch die verwendeten Sprachen, den religiösen Hintergrund oder die Annahme von Sprachförderangeboten will man sich genauer ansehen. Erforscht wird auch die Erwartungshaltung der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten. Weiters wird eine Liste mit allen islamischen Kindergärten oder -gruppen und deren Betreibern sowie Trägervereinen erstellt.

"Kein Platz für Radikalismus"

"In Wien ist kein Platz für Radikalismus und Extremismus. Wenn es Probleme gibt, müssen diese angegangen und gelöst werden. Die Stadt Wien schaut genau hin und hat bereits gehandelt", verwies Jugendstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) auf eine nun bereits erfolgte Aufstockung der Kontrolleure. Auch Bildungsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) beteuerte, dass Radikalisierung im Kindergarten keinen Platz haben dürfe. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) verwies auf die nunmehrige Einigkeit: "Wir ziehen hier in der flächendeckenden Untersuchung an einem Strang. Es ist notwendig, Klarheit und Transparenz zu haben, damit die richtigen politischen Maßnahmen gesetzt werden können." (Lisa Nimmervoll, 26.2.2016)