Der Wiener Wohnbauforscher Wolfgang Förster wohnt in einer Dachgeschoßwohnung im vierten Bezirk. Dass der Zugang zu dem Gründerzeithaus von Otto Wagner junior barrierefrei war, stellte sich als Glücksfall heraus.

"Als mein Lebensgefährte und ich vor 28 Jahren unsere Traumwohnung gesucht haben – ein leistbares citynahes Loft mit Terrasse und Grünblick -, gab es eine solche natürlich nicht. Also haben wir sie selbst gebaut, nachdem ich monatelang durch die Innenbezirke gewandert bin auf der Suche nach schönen Dachböden. Geholfen haben dabei meine Architekturausbildung und das Entgegenkommen des Hauseigentümers – und auch viel Glück. Außerdem waren wir Pioniere, da der Dachbodenboom mit seinen exorbitanten Preissteigerungen noch bevorstand.

Wolfgang Förster in seinem Lieblingsmöbel, dem "Ei" von Arne Jacobsen. Nach seinem Schlaganfall 2013 wurde die Wohnung adaptiert und eine Kleinwohnung für Pfleger integriert.
Foto: Lisi Specht

Da mein Bruder und sein Partner die Nachbarwohnung nach meinem Schlaganfall vor gut zwei Jahren dankenswerterweise geräumt hatten, konnten wir die Wohnung erweitern, barrierefrei umbauen und ein Büro einrichten. Auch eine kleine Wohneinheit für den Pfleger ging sich aus.

Zu unserem großen Glück hatte das Gründerzeithaus, das direkt an den Alois-Drasche-Park im vierten Bezirk grenzt, schon davor einen barrierefreien Hauseingang und einen barrierefrei zugänglichen Lift. Und in Letzteren passt ein Rollstuhl samt Begleitperson recht gut hinein.

Der Park mit den direkt angrenzenden Häusern ist eigentlich unwienerisch- eher englisch – und ein gutes Beispiel, wie hohe Lebensqualität mitten in einer dichtbebauten Stadt möglich ist. Leider haben spätere Stadtplaner dieses Modell nicht weiterverfolgt.

Die Lage unseres Hauses ist auch genial: Man kann von hier fast alles zu Fuß erreichen. Beim Einkaufen hat man die Wahl: Naschmarkt oder Viktor-Adler-Markt? Wobei ich den multikulturellen zehnten Bezirk bevorzuge. Durch den neuen Hauptbahnhof hat sich die Infrastruktur sogar noch verbessert, und das neue Sonnwendviertel ist städtebaulich und architektonisch genial.

Unser Haus, eines der wenigen Werke von Otto Wagner junior und hervorragend gepflegt, ist ja an sich schon ein Juwel. Mir ist klar, dass nicht jeder so wohnen kann. Doch meine eigene Wohnkarriere beinhaltet auch mehrere Jahre im Rabenhof, dem vielleicht schönsten Gemeindebau des Roten Wien, was mich stark in Richtung sozialer Nachhaltigkeit geprägt hat – das Thema, das ich für die Internationale Bauausstellung, die von nun bis ca. 2020 in Wien stattfinden wird, vorgeschlagen habe.

Nach bald drei Jahrzehnten sehe ich diese Wohnsituation noch immer als großes Privileg. Wobei: Für mich ist es schon ein Privileg, überhaupt in Wien zu leben. Ich bin international viel unterwegs und weiß, dass die Qualitäten Wiens – und insbesondere seines Wohnbaus – weltweit bewundert werden, außer bei uns, wo man das alles für selbstverständlich hält. Da mich die Wiener Raunzerei und die Intrigen oft nerven, habe ich auch meinen Boxsack in der Nähe meines Arbeitstisches aufgehängt und kann mich so rasch abreagieren.

Unsere Einrichtung ist eine Mischung aus klassisch-modernen Möbeln, vor allem aus Skandinavien, und Reisemitbringseln; besonders bei Teppichen werde ich leicht schwach. Auch Kunstgegenstände aus Ghana, wo mein Lebensgefährte und ich ein Patenkind haben, gehören dazu.

Das große Foto stammt aus einer Ausstellung über dänisches Design in der Postsparkasse, die ich kuratiert habe, und zeigt Möbel des genialen Poul Kjaerholm. Mein Lieblingsplatz ist das direkt davor platzierte leuchtend orangefarbene "Ei" von Arne Jacobsen, meinem bevorzugten Designer. Es steht so, dass ich über die Terrasse und den Park auf das gründerzeitliche Zentrum blicken kann, dessen Dichte und Diversität ich so liebe." (29.2.2016)