Man kann sich den Sarkasmus von Bernd Marin jetzt schon vorstellen. Bereits das Ergebnis der Regierungsklausur im Vorjahr zum Thema Pensionen kommentierte der Pensionsexperte nur noch ironisch. Sein Hauptkritikpunkt: Anstatt das System insgesamt neu zu denken, pflücke die Regierung pausenlos Einzelmaßnahmen heraus, evaluiere hier ein wenig und schraube dort ein bisschen – und am Ende würden die immer selben Schwachpunkte im Pensionssystem fortgeschrieben.
Wenig spricht dafür, dass die für den 29. Februar anberaumte "Pensionsreform" (vulgo "Evaluierungstreffen") hier die Ausnahme sein wird. So, wie sich die Koalitionspartner schon im Vorfeld gegeneinander aufgebaut haben, kann man tatsächlich schon von einem "Erfolg" sprechen, dass an der Frage des Frauenpensionsalters nicht gleich die Regierung zerbrochen ist und wahrscheinlich das eine oder andere Minireförmchen präsentiert wird.
Die ÖVP hat offenbar nachgegeben, das Frauenpensionsalter wird nicht schneller an das der Männer angepasst. Ob das auch sachlich richtig war, ist fraglich. Viele Experten meinen, dass Frauen gerade dadurch, dass Firmen sie früher in Pension schicken können, massive Nachteile auf dem Arbeitsmarkt erfahren. Das Argument von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SP) im STANDARD-Streitgespräch war ja auch ein sehr passives: Weil Frauen über 50 kaum Jobchancen hätten, sei die Pension quasi ein "Schutz" und Ausweg. Das führt freilich dazu, dass die Frauenpensionen auch weiterhin niedrig, die weibliche Altersarmut dagegen hoch bleiben wird. Ein Henne-Ei-Problem, quasi.
Das ist die Krux an der Sache, für die – schon seit Jahren – eine politische Lösung gefunden werden müsste. Es ist unausgesprochene Unternehmens-"Kultur" in vielen österreichischen Firmen, die eigenen Bilanzen auf Kosten der Allgemeinheit zu sanieren. Sprich: teure ältere Arbeitnehmer raus, billigere jüngere (wenn überhaupt) rein. Das ist eine Wahrheit, die Österreichs Wirtschaftsvertreter, bei aller (teils berechtigten) Jammerei über Steuern- und Abgabenbelastung, auch einmal anerkennen müssten. Man einigt sich lieber gütlich mit dem Arbeitnehmer, macht diesem uncharmant, aber finanziell vergoldet klar, dass er oder sie besser akzeptiere, nunmehr zum alten Eisen zu gehören.
Aber nicht nur die Privatwirtschaft fördert die Frühpension. Die ad hoc vor Weihnachten eingesetzte Pensionsexpertengruppe von Finanzminister Hans Jörg Schelling (VP) hätte ein lohnendes Betätigungsfeld, wenn sie sich beispielsweise den im öffentlichen Dienst sehr verbreiteten Vorruhestand vorknöpfen würde. So ist etwa unter Postlern oder unter Landeslehrern (etwa in Oberösterreich) die Frühpension fast zu 100 Prozent Normalität. Wer wiederum als Wiener Gemeindebediensteter wegen Burnouts in die Pension gleitet, kann beruhigt schlafen. Bis zu zehn Jahre werden als Dienstzeit dazugerechnet.
Nicht jeder Frühpensionist ist freilich im Ruhestand restlos glücklich. Wer aber versucht, nach Erreichen des regulären Pensionsalters etwas extra dazuzuverdienen, erlebt eine böse Überraschung: Die hohen Abgaben – vor allem an die Sozialversicherung – machen Selbstständigkeit für ASVG-Pensionisten unattraktiv.
Es gäbe also genügend Reformbedarf, ohne gleich das Ende des Pensionssystems ausrufen zu müssen. Man muss die Probleme nur anpacken – und darf die eigene Klientel nicht schonen. (Petra Stuiber, 25.2.2016)