Pfarrer Franz Benezeder aus Altmünster in Oberösterreich

Foto: Rohrhofer

Altmünster – Der Blick aus dem Fenster des Pfarrhofs der kleinen Traunsee-Gemeinde Altmünster offenbart eine beeindruckende Naturkulisse: Die Abendsonne fängt sich am Gestein des mächtigen Traunsteins, auf dem Traunsee ziehen die ersten Segelboote dem Winter davon. Doch für die Schönheit der Natur hat Pfarrer Franz Benezeder im Moment keine Zeit.

Seit Dienstagabend gewährt der Geistliche einer 51-jährigen Armenierin in der Kirche von Altmünster Asyl. Der Pädagogin droht nach einem rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren die Abschiebung. Wann genau, weiß im Pfarrhof letztlich niemand. Im entsprechenden Bescheid ist jedoch vermerkt, dass Frau E. bereits am Freitagabend in Armenien sein soll.

Bevölkerung zu "passivem Widerstand" bereit

Betritt man das moderne Pfarrzentrum, wird schnell klar, dass die Frau nicht nur unter geistlichem Schutz steht. Seit Wochenbeginn hält hier die Bevölkerung Wache. Tag und Nacht. Im Schnitt sind zwischen 15 und 20 Leute vor dem kleinen Zimmer, in dem sich Frau E. derzeit befindet, positioniert. Viele von ihnen sind Mitglieder der Plattform "Altmünster für Menschen". Und man ist gekommen, um zu bleiben. "Wir halten auch zwei Wochen durch. Es geht darum, ein Zeichen der Menschlichkeit zu setzen", sagt ein im Pfarrhof stationierter Lehrer aus Altmünster. Man sei zu "passivem Widerstand" bereit, bringt sich ein Wachdienstkollege ein: "Menschenkette, Tür zusperren, Lift blockieren."

In einem Nebenraum hat sich derweil der Führungsstand der Asylplattform zu einer Lagebesprechung zurückgezogen. Derzeit wird vor allem versucht, auf die Landes- und Bundespolitik einzuwirken. "Die Politik kann ein humanitäres Bleiberecht aussprechen. Darauf hoffen wir", sagt Almut Etz, Sprecherin von "Altmünster für Menschen", im STANDARD-Gespräch. Von den Behörden fühle man sich "einfach verhöhnt". Man erfülle hier alle Kriterien für eine gelungene Integration – "und dann schiebt man diese Menschen einfach ab". Vor allem stößt man sich an der Begründung im Abschiebebescheid: "Uns geht es nicht primär um den negativen Asylbescheid. Aber die Behauptung im Bescheid, sie habe kein schützenswertes Privatleben, ist eine bewusste Lüge, um den Anspruch auf humanitäres Bleiberecht zu hintertreiben."

Im Detail: Dem fremdenpolizeilichen Akt von Frau E. wurden Deutschkurs-Zeugnisse (Maturaniveau) und ein Arbeitsvorvertrag beigelegt. Zudem ist die Frau im Ort bestens integriert und arbeitet seit drei Jahren ehrenamtlich im Kindergarten mit. Und im Mai kommt das zweite Enkelkind der österreichischen Schwiegertochter zur Welt.

Moralische Macht der Kirche

Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen hat man im Pfarrhof nicht. "Was soll schon passieren? Die Verwaltungsstrafe nehme ich gerne in Kauf", sagt eine Dame, die gerade frischen Kaffee in der kleine Küche zubereitet. Inzwischen ist auch Hochwürden eingetroffen. Den halben Nachmittag hat Pfarrer Benezeder mit der Polizei, Vertretern der Bezirkshauptmannschaft und der Landespolitik verhandelt. Bisher ergebnislos: "Aber es gibt eben nicht nur das Gesetz, es gibt vor allem auch die Menschlichkeit." Die Kirche sieht der Pfarrer jetzt als "moralische Macht". Natürlich hätte man Frau E. auch in einem Haus der Marktgemeinde unterbringen können: "Doch bei der Kirche ist die Hemmschwelle halt größer."

Anschober appelliert an Asylbundesamt

Oberösterreichs Integrationslandesrat Rudi Anschober (Grüne) appelliert indes im STANDARD-Gespräch an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, "die Entscheidung auf Basis der Einwendungen aus Altmünster nochmals zu überprüfen und die starke Integrationsleistung der Frau entsprechend zu bewerten".

Tatsächliches Kirchenasyl gibt es übrigens in Österreich seit den 1980er-Jahren nicht mehr. Rechtlich gesehen hat die Behörde also jederzeit die Möglichkeit, die pfarrliche Obsorge zu beenden. Doch noch ist es ruhig im Haus Gottes. Und mit viel Kaffee und einer gehörigen Portion Bürgerärger sollte das auch in der Nacht auf Donnerstag so bleiben. (Markus Rohrhofer, 24.2.2016)