Das "Trommeliglu", eine Arbeit aus dem Jahr 2007, kann von außen bespielt oder trommelnd bewohnt werden. Es ist eine der fünf Hauptstationen der Schau, die einige Überraschungen bereithält.

Foto: Universalmuseum Joanneum / N. Lackner

Der goldene "Akkumulator" (links) und das "Rotationsquintett" (rechts).

Foto: UMJ/N. Lackner

Der Künstler und die "Bandoneon Intensivstation".

Foto: UMJ/N. Lackner

Graz – Im Alter rücken sie einander näher, verbringen ihre Tage aneinandergekuschelt und stimmen gemeinsam so manche schöne Melodie an. Gut, sie atmen nicht mehr selbstständig, hängen an einem Schlauch, der sich irgendwo in den Weiten des dunklen Raums verliert – aber für ausgemusterte Musikinstrumente altern sie hier doch in Würde.

Die Rede ist von der Bandoneon Intensivstation, die der aus Graz stammende, in Wien lebende Künstler Constantin Luser schon 2012 gebaut hat. Jetzt ist die Installation, bestehend aus schönsten, mit Perlmutt verzierten Bandoneons, von denen das älteste schon über ein Jahrhundert auf dem gefalteten Buckel hat, im Grazer Kunsthaus zu sehen. Musik zähmt die Bestie ist die erste große Einzelausstellung Lusers in Graz. Sie gibt einen schönen Überblick auf sein Gesamtwerk. Außerdem ist sie – und das ist wahrhaftig nicht jede Ausstellung – wie gemacht für den amorphen Raum der blauen Blase. In der von Katrin Bucher Trantow und Katia Humer kuratierten Schau spielt Luser nämlich auch ganz bewusst mit dem schwierigen Vorgaben der Blase.

Seine Vorliebe für Musikinstrumente ist evident. Im Trommel-iglu von 2007, im Rotationsquintett (2006), einem mit Trompeten und Fahrrad aufgepimpten Karussell, oder in dem Baum aus Gitarrensaiten, Tonabnehmern und Verstärkern.

Das Zentrum der Ausstellung ist eine neue Arbeit: Der heuer entstandene goldene Akkumulator ist über eine Stiege zu erreichen und sieht aus wie das Gemach einer Bienenkönigin. An den Innenwänden öffnen sich Schallbecher von Trompeten, die mit meterlangen Rohren mit den Mundstücken im Ausstellungsraum verbunden sind. Wie fast alle Objekte der Ausstellung darf man auch dieses bespielen – innen sitzend und sich beschallen lassend oder als Bläser von außen.

Die Liebe zum Entwerfen und Bauen komplizierter Instrumente zieht sich durch Lusers Werk. Der 1976 geborene absolvierte vor dem Studium an der Akademie der bildenden Künste und der Universität für angewandte Kunst auch die Ausbildung zum Industriedesigner an der Fachhochschule Joanneum in Graz. Auch die Liebe zum Zeichnen zieht sich durch seine Biografie.

Schaltpläne von Gedanken

Luser kann auch mit Draht zeichnen. Seine Drahtzeichnungen, die im gesamten weitläufigen Raum im Kunsthausbauch auf unsichtbaren Fäden aufgehängt sind, scheinen zu schweben. Über dem Kopf oder plötzlich direkt vor den Augen des Besuchers. Denn die Drahtbilder, die sich je nach Standort von einem Vogel in eine Rakete oder von Musiknoten in ein Gesicht verwandeln können, sind so fein, dass man sie tatsächlich erst nach und nach im Raum entdeckt.

Doch auch die feinsten Strukturen können Schatten werfen. Auf dem Boden verschmelzen diese Schatten der Drahtzeichnungen mit einem dichten Netz aus Zeichnungen, die Luser in den vergangenen Wochen über den Boden des Ausstellungsraumes gezogen hat. Die Striche starten bei dem besagten Akkumulator und breiten sich um ihn herum im gesamten Raum aus. Es sind endlose Schaltpläne oder vielleicht kartografierte Gedankengänge und Traumsequenzen, die manchmal sogar eine Geschichte zu erzählen scheinen. Genaues Hinsehen lohnt sich also in alle Richtungen. In luftigen Höhen und zu ebener Erd hat Luser seine Arbeiten versteckt.

Weit oben mündet übrigens auch der Beatmungsschlauch aus dem Bandoneon-Altersheim. Im Verborgenen sorgt ein Staubsauger für die Luft, die zu Musik wird. Der düstere Raum und die wohligen Klänge, die teilweise auch von Monitoren stammen, auf denen Videoarbeiten Constantin Lusers laufen, laden zum Ruhigwerden ein. Vielleicht steht auch die Arbeit Länger schlafen, ein drei Meter langer Schlafsack, deshalb bereit. (Colette M. Schmidt, 24.2.2016)