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Um diesen Chefsessel geht es am Freitag: Ein neuer Fifa-Chef wird gesucht.

Foto: Ennio Leanza/Keystone via AP

Dieser Wahl wohnt ein gewisses Risiko inne. Denn längst nicht alle Wahlberechtigten können sich sicher sein, unbehelligt an die Urne zu gelangen. Wenn am Freitag die Granden des Fußballs auch zur Kür eines neuen Chefs beim außerordentlichen Kongress des Weltverbandes (Fifa) in Zürich zusammenkommen, ist die Erinnerung an den 27. Mai des Vorjahres noch frisch. Damals, zwei Tage vor dem bisher letzten ordentlichen Kongress, nahm die Schweizer Polizei auch auf Veranlassung von US-Behörden sieben hochrangige Fifa-Funktionäre unter Korruptionsverdacht fest und brachte ein System ins Wanken, dem in den Jahren zuvor auch eine Flut von Skandalen nichts anzuhaben schien.

Seit diesem je nach Sichtweise schwarzen oder goldenen Mittwoch, dem quasi ein Faschingsfreitag mit der Wiederwahl von Präsident Jospeh S. Blatter und dessen Rücktritt sowie der Ankündigung von Neuwahlen vier Tage später folgte, scheint alles möglich zu sein im Überbau der Weltsportart Nummer eins. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht neue Malversationen, interne Sperren und weitere Festnahmen ruchbar würden.

Ungewisse Teilnehmerzahl

Weshalb am Freitag mit Sicherheit nicht alle 209 Stimmen der Fifa-Mitgliedsverbände zur Auszählung kommen. Kuwait und Indonesien sind suspendiert. In Honduras, Guatemala, Thailand, Benin und auf den Malediven gibt es keine regulären Verbandsspitzen mehr – die Funktionäre wurden von den Korruptionsermittlern der Fifa-Ethikkommission abgesetzt. Darüber hinaus wird es wohl noch Funktionäre geben, an deren Habhaftwerdung die Justiz interessiert sein könnte und die deshalb die Reise in die Schweiz wohlweislich auslassen.

Am Prozedere der Wahl eines Nachfolgers für Blatter, der wegen seiner Sperre nicht einmal mehr offiziell Grüezi zu seinen ehemaligen Vasallen sagen darf, ändert das nichts. Im ersten Wahlgang sind zwei Drittel der Stimmen aus den Kontinentalverbänden Afrika (54 Mitgliedsverbände), Europa (53), Asien (46), Nord- und Mittelamerika sowie Karibik (35), Ozeanien (11) und Südamerika (10) für den Sieg eines der fünf Kandidaten nötig. Ab der zweiten Runde genügt die einfache Mehrheit. Nach jedem Wahlgang ohne Entscheidung scheidet der stimmenschwächste Kandidat aus.

Dass die Stimme von der britischen Karibikinsel Montserrat, dem nach Bevölkerungszahl kleinsten Fifa-Mitgliedsverband, exakt ebenso viel zählt wie jene aus China oder Tonga, dem Schlusslicht der Fifa-Weltrangliste, diesbezüglich über den gleichen Einfluss wie die gegenwärtige Nummer eins Belgien verfügt, ist eine der bezeichnenden Absurditäten in Fifa-Land. Genau sie erklärt etwa die Macht, über die Joseph S. Blatter gebot, und die Methode, diese auch zu erhalten. Der bald 80-jährige Walliser verstand es hervorragend, Abhängigkeiten zu schaffen und durch Mitteleinsatz – natürlich nur zum Frommen und für die Entwicklung des Fußballs – auch zu erhalten. Dass damit der Korruption Tür und Tor geöffnet wurde, kratzte lange niemanden, weshalb auch nicht ausgemacht ist, dass die vor der Präsidentenwahl anstehende Verabschiedung eines Reformpaktes auch tatsächlich gelingt.

Ein Favorit

Wer Blatters System in die Zukunft retten und dabei zumindest den Anschein von Integrität erwecken kann, hat die besten Chancen, dessen Nachfolger zu werden. Diesbezüglich gilt Scheich Salman bin Ibrahim al-Khalifa als Favorit, gewissermaßen als finanziell potenter Beschützer der kleinen Verbände. Und Gianni Infantino, der europäische Mitfavorit, hat nicht umsonst im Wahlkampf mehr Geld für die Entwicklungshilfe und eine WM mit gleich 40 Teilnehmern versprochen. Dass das nicht im Sinne der vorwiegend europäischen Spitzenvereine des Weltfußballs sein kann, versteht sich von selbst. Ohnehin steht eine Abkoppelung des reichen Klubfußballs schon lange im Raum. Auch dieses Risiko wohnt der Wahl am Freitag inne. (Sigi Lützow, 25.2.2016)