PRO: Wenn es um Leben geht

von Eric Frey

Man stelle sich vor, Terroristen verstecken in Manhattan eine schmutzige Bombe, die Zehntausende zu töten droht. Die Polizei findet ein gesperrtes iPhone, das Informationen über den Ort des Sprengsatzes enthalten könnte. Würde es irgendjemand verstehen, wenn Apple seine Mithilfe bei der Entschlüsselung verweigerte oder nicht rechtzeitig vorgesorgt hätte, damit das FBI an diese Daten herankommen kann?

Es ist ein unwahrscheinliches, aber nicht unmögliches Szenario, das die grundsätzliche Weigerung von Apple-Chef Tim Cook, ein Update zum Entsperren geschützter iPhones zu entwickeln, infrage stellt. Folter lässt sich dadurch nicht rechtfertigen, die Aufweichung der Privatsphäre von Handynutzern sehr wohl. Es darf nicht sein, dass Behörden im Notfall gar nicht zu Informationen gelangen können, die vielleicht über Leben und Tod entscheiden. Die Suche nach möglichen Komplizen des Terroristenpaars von San Bernardino fällt in diese Kategorie.

Apple müsste den Schlüssel ja nicht aus der Hand geben. Es reicht, wenn das iPhone des Attentäters im Hause selbst entsperrt wird. Das Argument, dass diese Software, wenn sie einmal existiert, Diktaturen in die Hände fallen könnte, sticht nicht: Ein Weltkonzern wie Apple ist in der Lage, solche Geheimnisse zu schützen. Und wenn China entschlossen ist, das iPhone zu knacken, dann wird das seinen Entwicklern gelingen – egal, was Apple jetzt tut. (Eric Frey, 23.2.2016)

KONTRA: Apple kämpft für alle Nutzer

von Andreas Proschofsky

Auf den ersten Blick klingt die Forderung des FBI einleuchtend: Apple soll dabei helfen, das Smartphone eines Terroristen zu entschlüsseln, der den Tod von 14 Personen zu verantworten hat. Eine einmalige Ausnahme, wie man betont. Wer könnte da schon widersprechen? Das Problem: Es geht hier keineswegs um einen Einzelfall. Vielmehr benutzt die US-Bundesbehörde diesen Anlass – fraglos geschickt –, um ihrer seit Monaten unablässig gestellten Forderung nach Hintertüren in Smartphones Aufwind zu verschaffen.

Denn was die Behörden von Apple wollen, ist nicht schlicht der Zugang zu einem einzelnen Gerät, sondern die Entwicklung eines speziellen iPhone-Updates, das zentrale Sicherheitsmechanismen aushebelt. Lässt sich Apple auf dieses Spiel ein, würden unweigerlich bald andere Behörden bei Apple anklopfen, um ebenfalls eine entsprechende Assistenz einzufordern. Und zwar nicht nur aus den USA oder Europa, sondern aus allen Ländern, in denen Apple operiert.

Beugt sich Apple dem Wunsch des FBI, hätte dies also ungeahnte Konsequenzen für die Privatsphäre aller Smartphone-Nutzer. Denn wenn die Snowden-Enthüllungen eines gezeigt haben, dann dass alle einmal geschaffenen Möglichkeiten zur Überwachung auch genutzt werden. Und zwar weit über die ursprüngliche Bestimmung hinaus. Apple muss hier also eine klare Grenze ziehen.(Andreas Proschofsky, 23.2.2016)