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Im Düsseldorfer Finale bezwang Bernadette Graf (li.) die Japanerin Chizuru Arai. Selbstvertrauen hatte sie aus dem Semifinale geschöpft, in dem sie die dreimalige Weltmeisterin Yuri Alvear aus Kolumbien aufs Kreuz legte. Vor Düsseldorf wollte Graf "nur wissen, ob das Knie hält".

Foto: reuters/rattay

Düsseldorf/Wien – "Player of the day", das soll wohl ein breiteres Publikum ansprechen als "Judoka of the day". Bernadette Graf war es egal, dass sie als "Spielerin" ausgezeichnet wurde, so oder so hatte sie beim Grand Prix in Düsseldorf wirklich Bemerkenswertes geleistet. Fünfmal Ippon, fünf vorzeitige Siege also en suite, das sieht man selten. Graf war "selbst überrascht", hätte mit einem solchen Comeback "nie gerechnet". Sechs Monate lang, seit der WM in Astana, war sie verletzt außer Gefecht gewesen.

Erst wenige Tage vor Düsseldorf entschied sich die 23-jährige Innsbruckerin zu einem Antreten. "Ich wollte nur wissen, ob das Knie hält, eine Runde gut kämpfen, dann weiterschauen." Sie kämpfte gut und immer besser, schaute weiter, immer weiter. Im Semifinale legte sie die dreimalige Weltmeisterin Yuri Alvear aus Kolumbien aufs Kreuz, im Finale die Japanerin Chizuru Arai.

Finalsieg gegen Chizuru Arai.
judo fan

Bei der WM im August war im ersten Kampf das hintere Kreuzband im rechten Knie eingerissen, Graf hatte weitergekämpft und eine Medaille als Fünfte nur knapp verpasst. Sie musste nicht operiert werden, aber aussetzen. Die Pause hatte, wie sich nun zeigt, auch ihr Gutes. "Anfänglich hat's mich angezipft", sagt Graf. "Aber für den Kopf und den Körper war's nicht schlecht. Im Judo hast du eh nie Zeit für einen richtigen Kraftblock." Genau darauf, aufs Kraftaufbauen, konnte sie sich nun monatelang konzentrieren. Auf die Matte kehrte Graf erst im Jänner zurück, da wurde in Mittersill allerdings nur Griffkampf – ohne Beine, ohne Werfen – geübt, richtig im Mattentraining steht sie seit drei Wochen. "Das Judogefühl ist noch nicht richtig da, aber das wird schon."

Graf zählt in ihrer Gewichtsklasse, bis 70 Kilogramm, zur erweiterten Weltspitze, seit sie von den Juniorinnen kam. Bei den unter 20-Jährigen war sie 2011 Welt- und Europameisterin gewesen, und Europas Verband kürte sie zur "Promising female judoka of the year". In der allgemeinen Klasse holte Graf immerhin schon zweimal EM-Bronze.

Dynamisches Duo

Seit sie sechs Jahre alt ist, betreibt Graf ihren Sport, praktisch gleichzeitig mit ihr hat Kathrin Unterwurzacher begonnen. Seither trainieren die beiden gemeinsam. Graf sagt: "Kathrin ist wie eine Schwester für mich." Der Gewichtsunterschied – Unterwurzacher kämpft eine Klasse tiefer, bis 63 kg – stellt kein Problem dar. Für den einen oder anderen Wurf braucht Graf einen schwereren und Unterwurzacher einen leichteren Partner. Beide helfen sich mit Männern, mit Klubkollegen im Judozentrum Innsbruck. Dem Vereinsobmann Martin Scherwitzl, ihrem Heimtrainer Gernot Frei und Nationalteamcoach Marko Spittka, sagt Graf, habe sie "viel zu verdanken".

In knapp sechs Monaten geht's in Rio de Janeiro um Olympiamedaillen. Man kann davon ausgehen, dass sich Graf qualifiziert. Im Ranking, dessen Top 14 nach Brasilien reisen, fiel die Heeressportlerin in ihrer Verletzungspause vom dritten auf den elften Rang zurück. Dank Düsseldorf stößt sie wieder in die Top fünf vor. Mitte April findet in Kazan, Russland, noch eine EM statt. Graf will in Kazan und in Rio, "was ich immer will. Bei jedem Turnier ist eine Medaille das Ziel." Am Freitag reist sie für zweieinhalb Wochen nach Tokio, wo Österreichs Team das Privileg genießt, im National Training Center mit den Japanerinnen trainieren zu können. "Da sind mehr als zweihundert Frauen auf der Matte", sagt Graf. Keine Frage, dass sie in Tokio ihr Judogefühl wiederfinden wird. (Fritz Neumann, 22.2.2016)