Die Abstimmung über das Gesetz zur "Homo-Ehe" spaltet Italien zurzeit in zwei Lager.

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Eigentlich hätte Italiens Premier Matteo Renzi das umstrittene Gesetz schon längst ins Trockene bringen wollen – und zwar im Hauruck-Verfahren, ohne langes Palaver im Parlament: Ein Senator aus Renzis sozialdemokratischem Partito Democratico (PD) hatte einen Antrag eingereicht, mit welchem alle anderen Abänderungsanträge kurzerhand ausgehebelt worden wären. Das undemokratische Manöver ist von den Senatoren aus Beppe Grillos Protestbewegung M5S aber vereitelt worden: Man sei zwar grundsätzlich für das Gesetz, aber der PD-Antrag sei "mit dem parlamentarischen Anstand unvereinbar", erklärte der Fraktionschef der "Grillini", Alberto Airola.

Beim Gesetz über die homosexuellen Partnerschaften ist Renzis PD zwingend auf die Stimmen der M5S-Senatoren angewiesen – erstens, weil der bürgerliche Koalitionspartner NCD von Innenminister Angelino Alfano gegen das Gesetz Stellung bezogen hat, und zweitens, weil auch eine besonders fromme Patrouille von PD-Senatoren angekündigt hat, mit Nein zur Vorlage zu stimmen. Angesichts des Ausscherens des M5S und des drohenden Schiffbruchs der Regierung wurde die Senatsdebatte in der vergangenen Woche erst einmal auf den morgen, Mittwoch, verschoben. Statt des erhofften schnellen Triumphes hat Renzi eine Zitterpartie mit ungewissem Ausgang erhalten.

Die Zwangspause war die erste Niederlage Renzis überhaupt in seiner nunmehr zweijährigen Amtszeit. Sie ist umso schmerzhafter, weil der Premier das Gesetz zu einem Prestigeprojekt seiner Regierung gemacht hatte. Am Sonntag verknüpfte Renzi deshalb die Legalisierung der Homo-Ehe sogar mit seiner eigenen Person. Er wolle sich in dieser Frage sogar einem Misstrauensvotum stellen.

"Stiefkind-Adoption"

Unterstützung erhielt der Premier am Montag von 400 prominenten Schriftstellern, Künstlern und Journalisten, die eine Petition für die Verabschiedung des Gesetzes unterzeichneten. Die Rechte Homosexueller müssten endlich anerkannt werden, hieß es.

Italien ist das einzige westeuropäische Land, das noch keinen gesetzlichen Rahmen für homosexuelle Paare (und auch für heterosexuelle Paare ohne Trauschein) kennt: Der Erlass sei "unaufschiebbar" geworden, hatte Renzi mehrfach erklärt. Das Gesetz orientiert sich inhaltlich am Modell der eingetragenen Partnerschaften. Vorgesehen ist auch die "Stiefkind-Adoption", also die Möglichkeit, dass ein homosexueller Partner künftig die leiblichen Kinder seines Lebensgefährten adoptieren kann.

Im katholischen Italien mit seiner ausgeprägten geografischen und kulturellen Nähe zum Vatikan hat sich aber sofort ein breiter Widerstand gegen das neue Gesetz formiert. Der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz etwa hatte den Senat dazu aufgefordert, eine geheime Abstimmung zu erlauben. So könnten die Abgeordneten bei der Stimmabgabe ihrem Gewissen folgen, argumentierte er. Und auch der Papst hatte sich in die Debatte eingeschaltet, als er im vergangenen Monat die traditionelle Ehe als "gottgewollt" bezeichnete.

Vorlage gefährdet

Doch letztlich droht Renzi nicht am Widerstand des katholisch-konservativen Italien zu scheitern, sondern an sich selbst. Denn die zentrale Kritik am Gesetz richtet sich nicht gegen die geplante rechtliche Besserstellung homosexueller Partnerschaften, sondern an der "Stiefkind-Adoption". Ohne diesen Passus hätte das Gesetz eine komfortable Mehrheit nicht nur im Senat, sondern auch in der Gesellschaft, die bezüglich Homosexualität ohnehin aufgeschlossener denkt als das Parlament und die Kirche.

Renzi aber wollte über die Stiefkind-Adoption nicht mit sich reden lassen – und gefährdet damit die gesamte Vorlage. Dabei handelt es sich um ein inzwischen sattsam bekanntes Syndrom beim forschen Premier: Er will nicht bloß gewinnen, sondern er will über seine Gegner triumphieren. Dafür hat Renzi in der vergangenen Woche die Quittung bekommen – und muss ab kommendem Mittwoch froh sein, wenn er im Senat wenigstens eine um die Stiefkind-Adoption bereinigte Version des Gesetzes durchbringen wird. (Dominik Straub aus Rom, 23.2.2016)