Foto: APA/Hendrik Schmidt

Was in Clausnitz passiert ist, zeichnet ein fragwürdiges Sittenbild. Das Gemälde setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen: der mit Flüchtlingen gefüllte Bus. Die in unmittelbarster Nähe skandierende Menge, die in einen aggressiven Mob übergeht. Das Flüchtlingsheim, das vom AfD-Politiker Thomas Hetze geleitet wird, der sich ansonsten gern gegen Flüchtlinge ausspricht, hier aber offenbar den Bock als Gärtner gibt.

Die überforderten, zahlenmäßig unterlegenen Beamten, die weinende Kinder unter Gejohle des unangetasteten Mobs unter Gewaltanwendung aus dem Bus zerrten.

Und eine Pressekonferenz der Polizei am nächsten Tag, nachdem Videos des Geschehens sich im Netz verbreitet haben. Die Pressekonferenz schlägt dem Güllefass endgültig den Boden aus: Nicht die Fäusteschwingenden und Drohenden seien an der Eskalation schuld gewesen, sondern die im Bus Festsitzenden und Verängstigten.

Immerhin hätte ein ungefähr Vierzehnjähriger den Stinkefinger gezeigt, was die Menge, die rechtswidrig den Eingang blockierte, provoziert und sogar beleidigt haben soll.

Mit Verlaub: Provoziert und beleidigt war die noch vor Eintreffen des Busses skandierende Menge schon vorher. Von der schieren Existenz der Menschen im Bus. Wer als Verantwortungsträger einem verängstigten Jugendlichen Schuld an der Eskalation der Situation in die Schuhe schieben will, ist mit seiner Verantwortung überfordert. (Julya Rabinowich, 22.2.2016)